Günter Grass:Trommeln für den Regenten

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Deutschlands berühmtester Literat unterstützt im Wahlkampf Berlins Bürgermeister Wowereit, der hoch hinaus will.

Philip Grassmann

Es ist an sich nichts Ungewöhnliches, wenn der Schriftsteller Günter Grass für die SPD Wahlkampf macht. Das hat er bei Willy Brandt ebenso getan wie bei Gerhard Schröder. Doch es ist schon einigermaßen bemerkenswert, dass der Dichter sich nun auch auf Landesebene für die sozialdemokratische Sache einsetzen will.

Gemeinsam mit Prominenten wie Thomas Gottschalk oder Alfred Biolek ruft er im Rahmen der Initiative "Wir für Wowi" zur Unterstützung des SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17. September auf.

Mehr Fahrt für dahindümpelnden Wahlkampf

In der Hauptstadt-SPD rührt sich kein Widerspruch gegen das Engagement des Dichters, der erst kürzlich offenbart hatte, als 17-Jähriger zur Waffen-SS eingezogen worden zu sein und damit eine heftige Debatte ausgelöst hatte. Im Gegenteil, Wowereit sieht durch das späte Eingeständnis das literarische und politische Lebenswerk des Literaturnobelpreisträgers nicht gefährdet, er freut sich vielmehr über die Unterstützung.

Auch Landeschef Michael Müller kann keinen Grund erkennen, warum der Autor der Blechtrommel, der mit seiner späten Offenbarung viele ebenso überrascht wie enttäuscht hat, nicht für die SPD werben sollte. Und der Berliner Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter hofft gar, dass der bisher müde vor sich hindümpelnde Wahlkampf dadurch etwas an Fahrt gewinnen möge.

Nur wenigen SPD-Wahlkämpfern ist die Gunst des Dichters bisher zuteil geworden und so kann Wowereit sich wohl auch Hoffnungen auf einen gewissen innerparteilichen Imagegewinn machen. Schon seit einiger Zeit versucht der Hauptstadtregent, sein Ansehen in der SPD zu verbessern.

In der Bundespartei stand Grass in der Vergangenheit wegen seiner Partyauftritte und vor allem wegen seiner Koalition mit der PDS nicht besonders hoch im Kurs. Doch sein Image hat sich verbessert, zum einen weil Wowereit weniger feiert und mehr arbeitet, zum anderen, weil die rot-rote Koalition in Berlin einiges zustande gebracht hat.

Wowereit strebt nach Höherem

Die großen Probleme hat der Senat in den vergangenen fünf Jahren abgearbeitet, der Haushalt gilt als solide, die Bankgesellschaft ist saniert und der Großflughafen wird gebaut. Da wird künftig viel Zeit für andere Dinge bleiben.

Und so verkündete Wowereit kürzlich folgerichtig, er wolle sich künftig stärker auf Bundesebene engagieren. Im Magazin Stern legte er nun nach. Er sehe sich auf Augenhöhe mit Bundesministern wie Peer Steinbrück oder Sigmar Gabriel, teilte er selbstbewusst mit. Auch eine Kandidatur als Parteivize wollte er, anders als früher, nun nicht mehr ausschließen.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sieht das Flügelspreizen des Berliner Stadtregenten offenkundig mit Wohlwollen. "Wenn Wowereit mehr Verantwortung übernimmt, dann ist das richtig und wichtig", sagte der Parteichef. Mag sein. Allerdings hat die Partei derzeit auch keine allzu große Wahl: Von den 16 Ministerpräsidenten gehören lediglich fünf der SPD an.

© SZ vom 25.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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