Guantanamo:Rot-Grün blockierte Rückkehr von Kurnaz

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Kanzleramt und Innenministerium verzögerten die Freilassung des Bremer Türken aus Guantanamo um mehrere Jahre.

Die frühere rot-grüne Bundesregierung hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung jahrelang versucht, die Rückkehr des von US-Behörden nach Guantanamo verschleppten Bremers Murat Kurnaz nach Deutschland zu verhindern.

Dabei war das damals vom SPD-Minister Otto Schily geführte Bundesinnenministerium stärker beteiligt als bislang bekannt. Dies geht aus internen Unterlagen der ehemaligen Bundesregierung hervor.

Demnach sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz versuchen, von US-Stellen den türkischen Pass des inhaftierten Kurnaz zu bekommen, um dessen deutsche Aufenthaltsgenehmigung zu vernichten und so dessen Rückreise nach Deutschland zu verhindern. Im Herbst 2002 hatte die US-Regierung angeboten, den aus ihrer Sicht unschuldigen Kurnaz freizulassen.

Vertreter des Bundeskanzleramts, das damals vom heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier geleitet wurde, des Innenministeriums sowie des Bundesnachrichtendienstes, der damals dem heutigen Innen-Staatssekretär August Hanning unterstand, einigten sich ausweislich der Unterlagen aber darauf, eine Wiedereinreise von Kurnaz zu verhindern.

Das Innenministerium verfasste am 30. Oktober 2002 ein vierseites Strategiepapier. Daraus ergibt sich, dass die Bundesregierung die Stadt Bremen bedrängte, die Aufenthaltserlaubnis von Kurnaz für erloschen zu erklären - notfalls mit einer "Einzelweisung" an die Stadt. Die Aufenthaltsgenehmigung wurde gelöscht. Ende 2005 befand das Verwaltungsgericht in Bremen dieses Vorgehen der Stadt für rechtswidrig.

Freilassung erst nach Regierungswechsel

Der Widerstand gegen die Heimkehr von Kurnaz dauerte bis Herbst 2005 und verzögerte dessen Freilassung um insgesamt fast vier Jahre. Aus einem Vermerk des Auswärtigen Amtes vom Oktober 2005 geht hervor, dass sowohl das Innenministerium als auch der damalige Kanzleramtschef Steinmeier sich über Jahre gegen eine Rückkehr von Kurnaz aussprachen. Steinmeier wird als ChBK (Chef des Bundeskanzleramtes) in dem Vermerk in diesem Zusammenhang erwähnt.

Eine Änderung dieser Politik kam erst mit dem Regierungswechsel 2005 und der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) zustande. Merkel setzte sich bei US-Präsident George W. Bush für die Freilassung von Kurnaz ein, der im August 2006 nach Deutschland zurückkehrte.

Er war Ende 2001 bei einer Reise in Pakistan gefangen genommen und von US-Behörden unter Terrorismusverdacht verschleppt worden. Dass die US-Stellen ihn als harmlos einschätzten, wusste die Bundesregierung Ende 2002.

Der Anwalt von Kurnaz beschuldigte die rot-grüne Regierung erneut einer Mitschuld an der Haft seines Mandaten. Das Auswärtige Amt habe den Fall nur verwaltet, aber nicht agiert, sagte Anwalt Bernhard Docke vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags. "Wäre Kurnaz Deutscher gewesen, wäre er schon im Herbst 2002 frei gekommen.''

Alle Fraktionen warfen den USA schwerste Menschenrechtsverletzungen in Guantanamo vor. "Da tun sich Abgründe auf, wie die Amerikaner mit Kurnaz umgegangen sind", sagte Ausschusschef Siegfried Kauder (CDU).

© SZ vom 19. Januar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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