Guantanamo:Hundeleben in der Zelle

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Ein US-Bericht zu Guantanamo bescheinigt den Verantwortlichen "kreative" Verhörtechniken - von Folter könne keine Rede sein.

Von Reymer Klüver

Kreativ", sagt der General, seien die Fragetechniken gewesen, ja, schon auch "aggressiv". Aber mit Folter habe das alles nichts zu tun gehabt, was sich in den Verhörzellen des Terroristengefängnisses von Guantanamo abgespielt habe. Es ist der bislang letzte von inzwischen fast einem Dutzend interner Untersuchungsberichte des Pentagon, den General Randell Schmidt in der Nacht zu Donnerstag dem Streitkräfteausschuss des Senats vorlegte. Nach Auffassung des Militärs zeigt er, dass das ganze Gerede von Folter und Misshandlungen haltlos ist.

Der neue Bericht offenbart aber auch detailliert, welche Verhörmethoden von der amerikanischen Militärführung, sogar von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld persönlich, autorisiert wurden. Gefangene wurden in Gegenwart von Soldatinnen ausgezogen. Sie mussten Frauenunterwäsche tragen und wie Hunde Kunststücke vorführen. Sie wurden mit roter Tinte eingerieben unter dem Hinweis, dass dies Menstruationsblut sei. Das alles war erlaubt.

"Erniedrigende Behandlung" - "solide Erkenntnisse"

Besonders hart wurde der Al-Qaida-Mann Mohammed al-Kahtani behandelt, der nach Einschätzung des Militärs als 20. Attentäter an den Flugzeugentführungen vom 11. September 2001 hätte teilnehmen sollen, aber nicht in die USA einreisen durfte. Er sei "erniedrigend" und "entwürdigend" behandelt worden. Aber am Ende habe er "solide Erkenntnisse" geliefert.

Angestoßen wurde die Untersuchung von FBI-Agenten, die sich in E-Mails an ihre Vorgesetzten über diese Verhörmethoden beklagt hatten. Nach Angaben des Generals ergaben die Berichte aller 493 FBI-Leute, die im Laufe der Zeit nach Guantanamo abgeordnet worden waren, aber nur Hinweise auf neun mögliche Fälle von Gefangenenmisshandlungen - bei insgesamt 24.000 Verhören.

Drei Vorwürfe seien begründet gewesen: Ein Häftling sei an den Fußboden gekettet worden; einem anderen hätten Soldaten den Mund zugeklebt, weil er nicht aufhören wollte, religiöse Lieder zu singen; und einem dritten hätten die Gefängniswärter mit der Ermordung seiner Familie gedroht.

Erst in Gitmo, dann in Abu Ghraib

Noch etwas belegt der neue Pentagon-Bericht: Die Vorfälle von Abu Ghraib, die sexuellen Demütigungen, die schmerzhaften Ankettungen, die Drohung mit Hunden, alles hatte einen Vorläufer in Gitmo, wie das Gefängnis von Guantanamo im Militärjargon genannt wird.

Vielleicht ist es nicht wirklich Zufall, dass der damalige Kommandeur des Terroristenknastes, General Geoffrey Miller, im September 2003 nach Abu Ghraib abgeordnet wurde und dass es dort - nach seiner Abreise - zu den unrühmlichen Misshandlungsfällen kam. Zwischenzeitlich hatte Miller allerdings so genannte Tiger Teams einfliegen lassen, Verhörspezialisten aus Guantanamo, die ihre Techniken an das Personal in Abu Ghraib weitergaben.

Der Verteidiger von Lynndie England, der jungen Soldatin, die auf den Fotos von Abu Ghraib einen nackten Gefangenen an der Hundeleine Gassi führt und deren Verfahren neu aufgerollt werden soll, hat auf die Eingeständnisse aus dem Pentagon umgehend reagiert. Die Gemeinsamkeiten zwischen Guantanamo und Abu Ghraib seien schon "auffällig", stellte er nüchtern fest. "Ich glaube, das verlangt nach weiteren Untersuchungen."

© SZ vom 15.07.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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