Guantanamo-Gefangener Kurnaz:Angeblich gab es kein US-Angebot zur Freilassung

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Die Debatte um den Fall des als Terrorverdächtiger unschuldig gefangenen und gefolterten Bremer Türken dreht sich weiter. Während SPD-Parteifreunde versuchen, den heutigen Bundesaußenminister zu entlasten, erhebt der Anwalt von Murat Kurnaz neue Vorwürfe.

Der SPD-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, bestritt, dass es im Herbst 2002 ein Angebot der USA zur Freilassung des Bremer Türken Murat Kurnaz gab. "In den Akten haben wir jedenfalls kein Dokument, aus dem sich unmittelbar ergibt, dass die USA die Freilassung von Kurnaz konkret angeboten hätten", sagte Oppermann der Frankfurter Rundschau.

Murat Kurnaz (Foto: Foto: dpa)

Demnach haben lediglich drei deutsche Vernehmungsbeamte mit einem CIA-Verbindungsmann im US-Gefangenenlager Guantanamo die Möglichkeit diskutiert, Kurnaz in Deutschland als V-Mann in die islamistische Szene einzuschleusen und ihn dafür freizulassen.

Oppermann bedauerte, dass eine Veröffentlichung der Geheimakten aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. Einzelne Aktenauszüge, die im Moment veröffentlicht würden, erzeugten "einen einseitigen Eindruck", sagte er dem Blatt.

Auch die Leipziger Volkszeitung berichtet unter Berufung auf Hinweise aus Geheimdienstkreisen, die Bundesregierung habe 2002 kein Angebot der US-Behörden zur Freilassung des damaligen Guantanamo-Häftlings Kurnaz erhalten. Nach Informationen des Blatts gab es lediglich ein Gespräch eines BND-Mitarbeiters mit einem CIA-Angehörigen.

Daraus habe der deutsche Beamte einen entsprechenden Vermerk für seine eigenen Interessen angefertigt. Der LVZ zufolge wollte der BND Kurnaz zur Beobachtung der Terrorszene einsetzen. Regierungsstellen in den USA hätten 2002 jedoch jede Freilassung von Kurnaz oder eine Abschiebung nach Deutschland abgelehnt.

Derweil schaltete sich SPD-Chef Kurt Beck in die Debatte ein. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz warf Teilen der Union vor, die Rolle seines Parteifreundes Steinmeier im Fall Kurnaz zu nutzen, um von den Querelen in der CSU abzulenken.

Beck für baldige Befragung Steinmeiers

Das, was bisher öffentlich diskutiert werde, sei eine einseitige Sicht der Dinge, sagte Beck der Stuttgarter Zeitung. Diese Sicht werde auch von den Mitgliedern des für die Aufklärung des Falles zuständigen Untersuchungsausschusses nicht gemeinschaftlich so bewertet.

Beck sprach sich für eine rasche Befragung Steinmeiers im Untersuchungsausschuss aus. Er sei "sicher", dass sich die Vorwürfe gegen den Minister nicht halten lassen".

Inzwischen erhob der Anwalt von Murat Kurnaz neue Vorwürfe. Bernhard Docke behauptete, dass die alte Regierung möglicherweise nicht nur die frühzeitige Rückkehr des Bremers Murat Kurnaz aus Guantanamo verhindert, sondern schon selbst den Anlass geliefert habe, dass er überhaupt nach Guantanamo gebracht wurde.

Docke, verwies im Gespräch mit der Rheinischen Post darauf, dass nicht alle der im afghanischen Kandahar festgehaltenen Verdächtigen auch nach Guantanamo verlegt worden waren. Auch gegen Kurnaz könnten die Amerikaner zunächst nur einen diffusen Verdacht gehabt haben.

"Der politische Wille fehlte"

Fälschlicherweise könnten dann Informationen aus Deutschland mit Details aus einem Ermittlungsverfahren den Amerikanern den Eindruck vermittelt haben, es mit einem "dicken Fisch" zu tun zu haben. "Es kann sein, dass das einer der Gründe war, warum Herr Kurnaz überhaupt nach Guantanamo gekommen ist", sagte Docke.

Dem müsse der Untersuchungsausschuss des Bundestages unbedingt nachgehen. Durch die neu veröffentlichten Aktensicht Docke seine Vermutungen unterstützt. "Aus vielen Gesprächen und Briefen habe ich gespürt, dass der politische Wille fehlte, Murat Kurnaz nach Deutschland zurück zu bekommen - das sehe ich jetzt Schwarz auf Weiß bestätigt."

Er habe sich seinerzeit geärgert über die mangelnden Aktivitäten der Bundesregierung, aber letztlich habe seine Kritik damals "noch viel zu kurz gegriffen, weil die ganze Wahrheit viel schlimmer ist". Die rot-grüne Bundesregierung habe offenbar "nicht nur nicht geholfen, sie habe sogar aktiv hintertrieben, dass Herr Kurnaz wieder nach Deutschland zurück konnte".

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