Große Koalition:Wahlkampf auf dem heißen Blechdach

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Noch mehr Schrottprämie, Staatsgelder für Opel - mit dem Autothema positionieren sich die Koalitionspartner für die Bundestagswahl.

Dieter Degler

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es meiner Meinung nach nur drei große Wirtschaftsfachleute. Es waren Ludwig Erhard, Karl Schiller und Franz-Josef Strauß. Gerhard Schröder, den man den Autokanzler nannte, gehört für mich nicht in diese Reihe, auch wenn er weiß, wie man sich selbst vermarktet. Man denke nur an den Fall Holzmann.

Kanzlerin Angela Markel wollte ein wenig warm werden mit den Opelanern. Geschenke versprach sie aber nicht. (Foto: Foto: AP)

Wie Strauß, Schiller oder Erhard das Krisenmanagement der Großen Koalition kommentieren würden, ist schwer zu sagen. Eines ist allerdings gewiss: Die Berliner Akteure richten sich nach eben jenen Managern, die für gute Quartalsergebnisse die Großmutter Nachhaltigkeit verkauft und damit die Krise befeuert haben. Die Koalition will in den nächsten Monaten vor allem gut aussehen. Was volkswirtschaftlich sinnvoll wäre, wird ausgeblendet, Krisen-Camouflage ist Trumpf, gemischt mit Wahlkampf.

Beispiel Schrottprämie: Kaum ist der erste 1,5-Milliarden-Topf verbraucht, wird ein neuer aufgelegt. Dass mit der Massen-Abwrackung auch Autos weggeworfen werden, die noch jahrelang hätten fahren können - unwichtig. Dass die Aktion ökologisch schwachsinnig ist, weil man auch für Dreckschleudern noch Geld geschenkt bekommt - was soll's?

Dass fast zwei Drittel der Neukäufe auf ausländische Fahrzeuge entfallen, weil deutsche Hersteller mehrheitlich im Premiumsegment fischen - egal, wir haben's ja. Dass Gebrauchtwagenhändler, deren öffentliches Ansehen etwa auf dem Niveau eines Berufspolitikers rangiert, kaum noch Geld verdienen - wen schert es? Und am Schlimmsten: Mit jedem subventionierten Neukauf wird der anschließende Absatz-Abgrund nur umso tiefer. Aber der tut sich ja dann frühestens nach der Wahl auf.

Beispiel Opel: Erst drückten alle Beteiligten auf die Tube, um den defizitären deutschen GM-Ableger zu retten, Bundesminister und Ministerpräsidenten jetteten nach Detroit und Washington und man musste schon fürchten, dass auch die Bürgermeister von Rüsselsheim und Bochum ihre Spesenetats mit Reisen nach Übersee belasten würden. Jetzt wird das Tempo rausgenommen.

Erst müsse ein Investor her, dann könne man über Bürgschaften nachdenken, und schließlich hänge ja alles an der Mutter GM und der Entscheidung der US-Regierung über den maroden Konzern. Damit ist das Thema bis Ende Mai verschoben, wenn GM einen neuen Sanierungsplan vorlegt. Und dann ist schon fast Sommerpause, und danach kommt schon der Wahltag in Sicht. Aussitzen und wegducken ist die Devise, wenn man keine Wahlkampfparolen daraus drechseln kann.

In Schweden hat die Regierung nach kurzer Debatte entschieden, Saab sei zwar der einzige Autobauer des Landes, aber davon gebe es weltweit wirklich genug - und die GM-Tochter in Konkurs gehen lassen. In Deutschland dagegen, wo mehr Automarken zuhause sind als sonstwo auf dem Planeten, wird nicht mal diskutiert, ob es überhaupt sinnvoll oder notwendig ist, für das defizitäre Unternehmen einer Branche mit 30 Prozent Überkapazität zu bürgen, oder, wie der SPD-Kandidat Steinmeier fordert, es zu verstaatlichen. Motto: Prima Wahlkampfthema, gut warm halten und sich für den 27. September als besserer Retter positionieren, Lösung, wenn überhaupt, später.

Deutschland ist Autoland, kaum ein Thema ist hierzulande so gefühlsbelastet wie die rollenden Blechkisten und die Arbeitsplätze, die daran hängen. Deshalb ist es verlockend, es im Wahlkampf zu nutzen. Stolpert diese Branche aber, schlägt sich die gesamte Wirtschaft die Knie auf. Deshalb sollten die Berliner Illusionisten jetzt beweisen, dass sie von Erhard, Schiller und Strauß mehr verstanden haben als ein paar wahlkampftaugliche Sprüche.

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