Große Koalition:Sottisen statt Samthandschuhe

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In Berlin regieren sie zusammen, doch beim Politischen Aschermittwoch gingen sich CSU und SPD schärfer an als erwartet. Vor allem SPD-Chef Platzeck hielt eine erstaunlich kämpferische Rede.

Dass Edmund Stoiber noch einmal die Gelegenheit nutzen würde, auf seinem alten Feindbild Rot-Grün herumzuhacken, verwunderte nicht: "Der rot-grüne Klamauk ist zu Ende", triumphierte der CSU-Vorsitzende auf dem Politischen Aschermittwoch seiner Partei in Passau.

Nach dem Amtsantritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) herrsche wieder "solide Sacharbeit statt Macho-Gehabe". Merkel habe das deutsch-amerikanische Verhältnis wieder in Ordnung gebracht, "das Schröder beschädigt hat."

Spannend war die Frage, wie Stoiber mit dem Berliner Koalitionspartner SPD umgehen würde. "Die SPD ist in Berlin unser Partner. Die große Koalition ist keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe. Sie ist vom Wähler erzwungen worden", sagte Stoiber in der Passauer Dreiländerhalle.

An den SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck wandte sich der bayerische Ministerpräsident mit den Worten: Trotz schlechter Umfragewerte für dessen Partei sollten die Sozialdemokraten "keine Unruhe in die Arbeit der Regierung hineintragen. Wir brauchen Ruhe in der Koalition und keinen Sand im Getriebe."

Auch in Zukunft werde er deutlich sagen, "wo die Unterschiede im politischen Grundverständnis liegen", so Stoiber weiter. Konkret sprach er den Einsatz von Soldaten bei der Fußball-WM an.

Inhaltlich legte Stoiber einen Schwerpunkt auf die Themen Zuwanderung und Integration. Er forderte einen bundesweiten Deutsch- und Staatsbürgertest für Einbürgerungswillige: "Wir entscheiden, wer Deutscher wird. Und wir lassen nicht jeden herein", sagte Stoiber unter dem stürmischen Applaus der 3500 Zuhörer. Wer deutscher Staatsbürger werden wolle, dem müsse klar sein: "Hier gilt das Grundgesetz, nicht die Scharia. Hier gibt es die Gleichberechtigung der Frauen und keine Zwangsheirat. Hier gilt das Strafgesetzbuch, nicht die Blutrache. Wer das nicht akzeptiert, braucht gar nicht erst zu kommen", sagte Stoiber.

Die rund 3500 Teilnehmer hatten den CSU-Chef mit Beifall und "Edmund"-Rufen, aber auch mit vereinzelten Pfiffen begrüßt. Im vergangenen Jahr waren doppelt so viele CSU-Anhänger nach Passau gekommen.

Platzeck: Stoiber soll Buße tun

In Vilshofen hielt der SPD-Bundesvorsitzende Matthias Platzeck eine überraschend kämpferische Rede. Er hob die Handschrift der Sozialdemokraten in der großen Koalition hervor. "Die SPD ist das Herz der Bundesregierung", sagte Platzeck vor rund 700 Anhängern beim Politischen Aschermittwoch seiner Partei. Der Koalitionsvertrag trage "zu Dreivierteln" sozialdemokratische Handschrift.

Platzeck hob hervor, die SPD habe sich nicht gescheut, die schwierigen Ressorts in der schwarz-roten Bundesregierung zu übernehmen. "Wir brauchen Leute, die anpacken. Populismus bringt unser Land nicht weiter", rief er aus.

Zugleich warf er CSU-Chef Stoiber und den CSU-Bundesministern in Berlin Verantwortungsscheue vor. Stoiber habe das Amt als Wirtschaftsminister nicht angetreten, weil ihm die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei den Staatsfinanzen zu groß gewesen seien, kritisierte Platzeck.

"Wer den Mund so voll nimmt, sollte mit künftigen Aussagen vorsichtig sein", sagte der SPD-Chef unter dem Jubel von rund 700 Zuhörern. Stoiber solle ruhig in Passau Buße tun, wie das in Zeitungen zu lesen gewesen sei.

Besonders scharf attackierte Platzeck die Vorstände deutscher Großunternehmen. "Die Vorstände gehen fast wie Schlachtmeister auf ihre Unternehmen los." Er beklagte Massenentlassungen, die als "Fitnessprogramm" bezeichnet würden, die "Plünderung" von Firmenkonten für Millionen-Abfindungen und Insider-Geschäfte an den Börsen. "Unsere deutsche Wirtschaft ist kein Spielcasino."

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