Große Koalition: Hartz-IV-Debatte:Die Kanzlerin und ihr Minister im Clinch

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Streit in der Großen Koalition: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weist den Vorstoß ihres Ministers Franz Müntefering (SPD) zurück, Mindestlohn mit Hartz-IV-Leistungen zu verknüpfen.

Eine Woche vor dem Treffen der Spitzen der Großen Koalition ist zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Vize, Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD), ein offener Streit über die Arbeitsmarktpolitik entbrannt. Die Kanzlerin lehnt das Ansinnen Münteferings ab, die Anhebung der Hartz-IV-Leistungen mit der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns zu verknüpfen.

Beide Themen stehen nach Auffassung der Kanzlerin nicht in einem "unmittelbaren kausalen Zusammenhang", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Montag. Daraufhin widersprach der Sprecher Münteferings. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II nach den Hartz-IV-Gesetzen und die Frage der Einführung eines Mindestlohns gehörten "originär zusammen".

Mit der Einführung eines Mindestlohns müsse auf die Entwicklung reagiert werden, dass immer mehr Empfänger von Hartz IV sogenannte "Aufstocker" sind, die mit ihrem Einkommen aus Niedriglöhnen allein ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können und deshalb einen Zuschuss bekommen, betonte der Sprecher. An diesem Punkt müsse die Debatte über den Mindestlohn geführt werden.

Müntefering selbst sagte im Deutschlandfunk, wer wegen der Preisentwicklung das Arbeitslosengeld II anheben wolle, müsse dafür sorgen, dass der Staat nicht mehr so viel über Sozialtransfers zu den Löhnen zuschießen müsse. Argumente der Union, nach denen ein Mindestlohn zu mehr Arbeitslosigkeit führt, nannte der Vizekanzler Unsinn.

Die Sache mit den Aufstockern

Aktuell gibt es etwa 600.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Aufstocker - mit wachsender Tendenz, wie Münteferings Sprecher betonte. "Das schlägt unmittelbar durch auf den Bundeshaushalt", sagte er.

Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende hatte sich bereits bei den Verhandlungen über den Mindestlohn vor der Sommerpause gegen die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen gesperrt.

Unterstützung erhält Müntefering von Merkel aber für seine Ankündigung, wonach die Anpassungsmechanismen für das Arbeitslosengeld II von derzeit monatlich 347 Euro im Herbst überprüft werden sollen. Diesen Vorschlag begrüße die Kanzlerin außerordentlich, sagte Steg.

Die Ergebnisse sollen Ende November dem Kabinett vorgelegt werden. Es sei notwendig, die wichtige Debatte zu versachlichen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher. Sie müsse losgelöst werden von "tagesaktuellen Ereignissen und Preissprüngen. Mit dem Arbeitslosengeld II kann man nicht nach Maßgabe der Echternacher Springprozession umgehen", sagte Steg.

Die Empfänger der Leistungen brauchten Sicherheit. Er wies zudem darauf hin, dass die aktuelle Regelung von den Bundesländern mitbeschlossen worden sei. Die Debatte über eine Anhebung der Hartz-IV-Leistungen war von Ministerpräsidenten der Union ausgelöst worden.

Die SPD-Spitze stellte sich ausdrücklich hinter Arbeitsminister Müntefering. Das Präsidium habe dessen Position klar unterstützt, sagte SPD-Parteichef Kurt Beck. Die Partei sei bereit zu prüfen, ob die Hartz-IV-Sätze angepasst werden müssten. Diese Überlegungen müssten aber von Finanzierungsvorschlägen begleitet werden. "Deshalb ist die Antwort: ,Dann brauchen wir eine Mindestlohn-Regelung' die derzeit einzig denkbare und mögliche."

© SZ vom 14.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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