Der Oberste Richter für England und Wales, Lord Phillips, will Prinzipien der Scharia zur Lösung von Streitigkeiten zulassen. Phillips sagte in einem muslimischen Zentrum in London, es gehe nicht darum, dass das islamische Recht das bestehende Recht ersetze. Er sehe aber keinen Grund, warum Grundsätze der Scharia nicht bei Schlichtungsfällen herangezogen werden sollten.
Muslimische Juristen begrüßten den Vorstoß des Richters. Die Scharia werde in Großbritannien häufig missverstanden, sagte Phillips in seiner Rede vom Donnerstag. Dazu gehöre "der Glaube, dass es bei der Scharia nur um Strafmaßnahmen wie Auspeitschungen, Steinigungen, das Abhacken der Hände oder den Tod" gehe.
Gewalttätige Extremisten prägten das Bild des islamischen Rechts, weil diese damit auch Selbstmordanschläge rechtfertigten.
Bereits im Februar war der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, mit ähnlichen Äußerungen auf Empörung gestoßen. Williams sei missverstanden worden, erklärte Phillips. Er habe lediglich sagen wollen, dass Menschen freiwillig ihr Leben nach der Scharia ausrichten könnten, ohne dabei mit den gesetzlich garantierten Rechten in Konflikt zu geraten.
Der Vorsitzende des Muslimischen Schiedsgerichts, Shaykh Faiz Siddiqi, begrüßte den Vorschlag des Lordoberrichters. Kritiker der Scharia-Anwendung ließen außer Acht, dass beide Parteien in einem Streitfall einer solchen Lösung zustimmen müssten, sagte er. Der Vorsitzende Richter des Schiedsgerichts, Shamim Qureshi, erklärte, der Einsatz der Scharia könnte bei Streitigkeiten um Zwangsehen sinnvoll sein.
Das Muslimische Schiedsgericht wurde im vergangenen Jahr eingerichtet und schlichtet unter anderem bei Familienstreits, Zwangsehen und Erbschaftsstreitigkeiten.