Grafik der Woche:Armes, reiches Land

Das erdölreichste Land der Welt steckt seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise.

Von Jana Anzlinger

In der Nacht zum Freitag gingen in Venezuela die Lichter aus. Den stundenlangen Stromausfall empfanden viele als Symbol der Krise, in der das Land steckt. Seit Januar tobt ein Machtkampf zwischen Staatschef Nicolás Maduro und dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. Inzwischen ist die Bundesregierung involviert, die venezolanische Regierung hat den deutschen Botschafter wegen seiner Unterstützung für Guaidó ausgewiesen. Die EU erwägt weitere Sanktionen.

Verschärft wird die Krise vom Streit um Hilfslieferungen. Die desolate humanitäre Lage war auch der Anlass, der Menschen auf die Straße trieb und eine Stimmung schuf, die Guaidó für sich nutzen konnte. Seit Jahren leiden die Venezolaner unter einer Wirtschafts- und Versorgungskrise, es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten, selbst an Toilettenpapier. Experten schätzen, dass fast zwei Drittel der Menschen hungern.

Nach dem Amtsantritt des Sozialisten Hugo Chávez 1999 war es zunächst aufwärts gegangen. Chávez stand für eine Umverteilung der Einnahmen aus dem Ölsektor, die endlich auch den Armen zugutekommen sollten. Doch nach Maduros erster Wahl 2013 begann das System zu kollabieren. Heute gilt mehr als die Hälfte der Bevölkerung als extrem arm.

Für die humanitäre Katastrophe in dem Land wird vor allem der Verfall des Ölpreises verantwortlich gemacht. Venezuela ist das Land mit den größten bekannten Ölreserven der Welt. Die Wirtschaft ist von dem Rohstoff abhängig und produziert ansonsten fast nichts selbst. Als der Ölpreis 2014 und 2015 um etwa die Hälfte abstürzte, blieben die Einnahmen plötzlich weg. Hinzu kommt, dass der Hauptabnehmer USA immer weniger importiert. So sind die Erdölexporte sichtbar eingebrochen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt dem Land praktisch den totalen Kaufkraftverlust. Die Menschen zahlen fast ausschließlich mit Debitkarte, weil sie gar nicht so viel Geld tragen können, wie sie zum Einkaufen bräuchten. Maduro versuchte, die Wirtschaft mit einer Kryptowährung wieder anzukurbeln. Ansonsten hat seine Regierung gegen die Krise kaum etwas unternommen. Wie genau Guaidó die Menschen aus dem Elend retten will, ist unklar. Gewinnt er den Machtkampf, kann er jedenfalls auf mehr internationale Unterstützung hoffen als Maduro. Bis jetzt sind mehr als drei Millionen Menschen geflüchtet, etwa ein Drittel aller Bewohner des Landes. Die meisten von ihnen halten sich in den Nachbarländern Kolumbien und Brasilien sowie in Ecuador und Peru auf.

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