Glücksspiele:Automatisch verlieren

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In den Spielhallen steigt das Risiko - doch die Bundesregierung reagiert zögerlich.

Von Klaus Ott

Wer heutzutage noch ein bisschen flippern will, der kauft sich am besten für ein paar hundert oder tausend Euro einen restaurierten Elvis, Big Indian, Buck Rogers, oder wie die Automaten früher sonst so hießen, und stellt ihn bei sich zu Hause auf.

In Deutschlands Spielhallen hat dieser Zeitvertreib jedenfalls längst ausgedient. Mit einer Daddel-Maschine, an der man für ein paar Groschen und etwas Geschick die Kugel möglichst lange umher ballert, lässt sich die Computer-Generation nicht mehr locken. Der alte Flipper ist nur noch etwas für Liebhaber.

Hohe Gewinne, erhebliche Verluste

Geschäftsleute, die vom Spieltrieb leben, müssen ihren Gästen mehr Reize bieten, mehr Action - und hohe Gewinnsummen, wenn es sich irgendwie machen lässt. Das können schon mal 1250 Euro sein, wie das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) in einem vertraulichen Report notierte.

Umgekehrt steige natürlich das Risiko "erheblicher Verluste". Das LKA hatte im Herbst vergangenen Jahres gemeinsam mit Kollegen aus anderen Sicherheitsbehörden für die Innenminister der 16 Bundesländer aufgeschrieben, wie sich illegale Glücksspiele ausbreiteten.

Schnelles Spiel mit schnellem Glück

Und was dagegen zu tun sei, um Zocker vor sich selbst und der Gefahr zu schützen, ausgenommen zu werden. Das interessierte die Innenminister, die für Ordnung sorgen wollen.

Es ging um Sportwetten, Internet-Casinos, deutsche Gaststätten und "türkische Teestuben", und um die 7000 Spielhallen im Lande, die sich Namen wie "Las Vegas City" geben. Die Fantasie ist groß, auch bei den Automaten, die in den Kneipen oder Daddel-Zentren aufgestellt sind.

Dort stehen inzwischen 80000 so genannte Fun Games - ein weiterer origineller Name -, und nicht wenige davon werden auf rechtswidrige Art und Weise betrieben. Ein schnelles Spiel mit schnellem Glück (oder auch Pech) läuft da. Poker beispielsweise, oder Black Jack und andere Casinospiele am Automaten.

Dämpfer für die Zocker-Leidenschaft

Wer das As zieht, erhält Wertmarken, so genannte Tokens, die dazu berechtigen, weiter gegen die Maschine anzutreten. Oft werden die Tokens unter der Hand indes ausgezahlt, um die Kundschaft bei Laune zu halten, mit Beträgen eben bis zu 1250 Euro.

Die rasanten Fun Games sind aber, auch das besagt der LKA-Report, gar nicht als "Geldgewinngeräte" zugelassen. Aus gutem Grund, denn eigentlich sind in den Las-Vegas-Ablegern nur weit niedrigere Summen erlaubt. Das soll die Leidenschaft der Zocker und die finanziellen Gefahren dämpfen. Eine schöne Theorie. Und die Praxis?

Weit über hundert Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber von Gaststätten und Spielhallen hat das LKA für die vergangenen beiden Jahren in ganz Deutschland aufgelistet, davon allein 55 in Bayern. Hier endeten immerhin schon 30 Fälle mit einer Verurteilung oder einem Strafbefehl.

Rote Briefe gegen schwarze Schafe

Der Verband der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) will derlei Auswüchse stoppen, mit der Aktion "Rote Briefe gegen schwarze Schafe" in den eigenen Reihen. Gleichzeitig versucht der VDAI-Chef und Branchenführer Paul Gauselmann ("Das Geld muss klimpern"), der in großem Stil Automaten herstellt, das Problem kleinzureden.

Bei den Fun Games sei eine "vereinzelte illegale Nutzung" zu beobachten, sagt Gauselmann, der mit 5500 Beschäftigten 700 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Fast jedes zweite der 200 000 Daddel-Geräte in Deutschland stammt aus seiner Produktion.

Es gibt auch andere Zahlen: Seit 2001 verschickte der VDAI nach eigenen Angaben rund 700 rote Briefe wegen Missbrauchs von Automaten. Das sind keine Einzelfälle mehr. Und fast überall, wo sich Ordnungsämter und Polizeiinspektionen um die Fun Games kümmern, werden sie ebenfalls fündig.

Geld auf das Konto

In Hamburg seien fast hundert Glücksspielstätten bekannt, in denen diese Geräte illegal genutzt würden, erfuhren die Innenminister aus dem LKA-Bericht.

In Nordrhein-Westfalen ermittele eine Kreispolizeibehörde in ihrem Revier nahezu flächendeckend, und in der Region Neuwied in Rheinland-Pfalz sei ein "umfangreiches Verfahren" gegen die Betreiber mehrerer Spielhallen anhängig.

Rechtslücke schließen

Nun endlich, da die neue Automaten-Generation die alten Geräte schon seit Jahren zunehmend verdrängt, will auch die Bundesregierung reagieren. Mit einer wiederholt angekündigten Verordnung möchte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die Fun Games prinzipiell verbieten und so eine Rechtslücke schließen lassen.

Andererseits plant Clement, der Automaten-Branche attraktivere Angebote zu erlauben. Die Umsätze sind rückläufig, wegen der Konjunktur und der Konkurrenz der staatlichen Lottogesellschaften und Spielbanken, die weit höhere Gewinne offerieren.

Die Regierung wolle dem privaten Glücksspielmarkt "eine neue Perspektive" bieten, verkündete Staatssekretär Dietmar Staffelt aus dem Wirtschaftsressort bei der Internationalen Automatenmesse in Nürnberg. Er sei der Branche gewogen, versicherte der Abgesandte der Bundesregierung, und zitierte König Alfons den Weisen von Kastilien: "Gott schuf den Menschen, auf dass er sich der Spiele erfreue, denn Spielen erhebt und vertreibt die Grillen."

Tricksen mit Telefonkarten

Wie der Staat die Fun Games aus den modernen Glückstempeln zu vertreiben gedenkt, darüber verlor Staffelt laut Redemanuskript kein Wort. Das Wirtschaftsministerium hat laut internen Unterlagen längst erkannt, dass diese Automaten als "erlaubnisfreie Unterhaltungsgeräte" gelten.

Deshalb greifen auch die Vorschriften für jene Spiele nicht, bei denen um iel Geld gedaddelt wird und nicht wegen ein paar Groschen. Das wiederum nutzen Teile der Branche auf trickreiche Art und Weise. Das LKA berichtete den Innenministern von "ausdifferenzierten Systemen", bei denen die gewonnenen Wertmarken auf Geld- und Telefonkarten "aufgebucht" oder auf ein Konto gutgeschrieben werden, um auffällige Barauszahlungen zu vermeiden.

Behörden und Justiz müssten endlich schärfer durchgreifen, sagt Branchen-König Gauselmann und schlägt vor, korrekt betriebene Fun Games für eine Übergangszeit zuzulassen. Das LKA empfiehlt dagegen, das Problem "rasch zu lösen", und zwar "mit ganzer Kraft".

© SZ vom 18.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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