Glosse:Das Streiflicht

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Das Streiflicht (Foto: SZ)

(SZ) Wenn es schiefgeht - und wir leben ja in einer Zeit zunehmender Schiefgänge -, stürzt in absehbarer Zeit der Eiffelturm ein. Hätte jemand diese Prognose in den Jahren gestellt, da der Eiffelturm errichtet wurde, wären Jubel und Beifall vom Champ de Mars bis hoch nach Belleville zu hören gewesen. Der Eiffelturm rostet, vielleicht auch deshalb, weil er keine alte Liebe ist. Gebaut wurde er aus Hass oder sagen wir etwas milder: aus militantem Trotz gegen die Zuckerbäcker-Kirche Sacré-Coeur, die, so dachte mancher damals, das laizistische Frankreich vom Montmartre aus mit kitschiger Frömmigkeit verhöhnte. Es passte ganz gut, dass 1889 die Weltausstellung nach Paris kam und der Ingenieur Gustave Eiffel gerade einen interessanten Plan zweier Mitarbeiter im Portefeuille hatte. Weil all diese Menschen in einer Zeit beginnender Rekordverliebtheit lebten, fand die Vorstellung, in Paris das höchste Gebäude der Welt zu errichten, viele Liebhaber. Der Bau ging so dermaßen glatt über die Bühne, dass man Eiffel und die Pariser Verwaltung von damals gerne noch einmal zum Leben erwecken und sie mit der Fertigstellung von Stuttgart 21 sowie mit dem Abriss und umgehenden Wiederaufbau des Berliner Flughafens beauftragen möchte: 18 000 Einzelteile, die pünktlich an der Baustelle ankamen, nicht mal 200 Arbeiter, von denen kein einziger tödlich verunglückte. Und das im Jahr 1889, vive la France!

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