Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Bücher lesen ist toll, und toll ist auch, dass jeder Mensch ein Buch so lesen kann, wie er will. Schnell oder langsam, von hinten oder von vorne, im Bett oder im Skilift, im Schneidersitz sitzend oder auf einer Sonnenliege liegend, in einem Rutsch oder von Kapitel zu Kapitel hüpfend. Geduldig lässt das Papier sich knicken, bekritzeln, bekleckern. Das Buch verzeiht es, wenn ihm eine Seite entrissen wird, aus Übermut, aus Wut, weil sein Leser etwas zum Schreiben braucht oder zum Schnäuzen. Kein Buch käme auf die Idee, sich selbst und seine Leser mit der Information zu beleidigen, wie viel Lebenszeit seine Lektüre sie kosten wird. Kein Buch verübelt es, wenn seine Leser es verleihen, verschenken oder entsorgen - sei es, um einer bis zur letzten Seite ausgekosteten Liebschaft das Dahindämmern im Regalstaub zu ersparen, sei es, um ein Missverständnis schnell und gründlich zu beenden. Kein Buch ist beleidigt, wenn es nicht zu Ende gelesen wird.

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