Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Nur ganz wenige Menschen werden noch eine Erinnerung daran haben, wie blöd es sich - heute sagt man: angefühlt haben muss, keine eigene Hymne zu haben. Nach dem Krieg gaben sich die Deutschen zwar eine vorläufige Verfassung, die war einigermaßen in Ordnung und konsensfähig. Aber was sollte man denn bloß singen, wenn die Anlässe offiziell und feierlich genug waren, um nicht einfach stumm und geschlossenen Mundes sitzen bleiben zu können. Manchmal sang man Schillers "Lied an die Freude", aber da fehlte irgendwie der patriotische Schmelzkern. Einmal wurde bei einem Auslandsbesuch Konrad Adenauers "Heidewitzka, Herr Kapitän", gespielt. Das war dem Fuchs von Rhöndorf, wie wir den ersten Bundeskanzler heute zärtlich nennen, dann wirklich zu blöd, und er rief bei anderer Gelegenheit dazu auf, bitte die dritte Strophe des "Lieds an die Deutschen" zu singen, und fertig ist die Laube. Viele fanden es frech, ein derart nationalstolzes Lied zu schmettern; Theodor Heuss zum Beispiel hatte ja noch bei dem christlichen Dichter Rudolf Alexander Schröder angeklopft, ob der nicht was machen könnte. Aber Schröder schrieb da folgende Sachen hinein: "Ob die Feuer dich verbrannt, Du hast Hände, die da bauen, Du hast Herzen, die vertrauen", heute würde man sagen: Geht gar nicht.

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