Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Das Englische verfügt über die herzhafte Redensart "Life is a bitch", die im Deutschen am besten mit der nüchternen Feststellung "Das Leben ist hart" wiedergegeben wird. Nun ist Nüchternheit nicht jedermanns Sache, und so hat es sich eingebürgert, dem Leben zu attestieren, was es nicht ist: ein Ponyhof, ein Zuckerschlecken, ein Kindergeburtstag, ein Wunschkonzert, ein Streichelzoo, ein Spaziergang, ein Heimspiel. Man käme sich im Kreise dieser Vergleichsgrößen selber vor wie in einem metaphorischen Streichelzoo, wäre da nicht der Spaziergang, der aus dem kuscheligen, ja stellenweise leicht dämlichen Sortiment dadurch herausragt, dass er kulturgeschichtlich etwas zu bieten hat, mehr jedenfalls als der Ponyhof. Insofern war Umweltbundesministerin Svenja Schulze gut beraten, als sie sagte, der Ausstieg aus der Kohleverstromung werde kein Spaziergang. Hätte sie "kein Kindergeburtstag" gesagt, wäre sie ähnlich schräg angekommen wie vor etlichen Monaten Kardinal Woelki mit der Vermutung, Jesus habe seinerzeit auf keinem Ponyhof gelebt.