Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) Wenn irgendetwas noch mutiger, ja waghalsiger ist, als das Rad neu zu erfinden, dann dies: rund neu zu denken. Wer wagt es? Rittersmann oder Knapp? Keiner von beiden, sondern Christine Höckmann von Eyebizz, dem Fachmagazin für den Augenoptiker. Höckmann prophezeit für 2019, dass die rahmenlose Brille zwar im Kommen, die Nickelbrille aber deswegen keinesfalls weg sei, denn: "Rund wird immer wieder neu interpretiert." Das ist, auch jenseits der Welt der Brillen, bitter notwendig. Warum? Es ist vielleicht noch niemandem aufgefallen, aber Tatsache ist, dass so gut wie alle Lexika auf das Stichwort "rund" verzichten und von der englischen Stadt Runcorn direkt auf das Rundangerdorf oder die Rundblattnasen übergehen. Richtig scharf gedacht wurde rund erstmals vor ungefähr 2400 Jahren, nämlich in Platons Dialog "Parmenides", worin es heißt: "Rund ist doch wohl dasjenige, dessen Enden von der Mitte überall gleich weit abstehen." Daran hat sich nichts geändert, und auch die Nickelbrille hat sich, von Ausreißern ins Ovale abgesehen, stets an diese Vorgabe gehalten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: