Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Kaum eine gesellschaftliche Gruppe hat in den vergangenen Jahrhunderten derart viele Wandlungen durchmachen müssen wie die Engel. Dergleichen Erkenntnisse werden uns natürlich immer dann bewusst, wenn es einerseits so weit ist, andererseits wiederum zu spät ist. Ja, mit den Engeln ist es jetzt wieder so weit: Wir sehen sie seit Mitte November über den Feinkostabteilungen schweben und die raffiniert gemachten Tim-Mälzer-Stollen segnen; wir gewahren sie im Spielzeugparadies als überinszenierte Maskottchen der Play-Station-Kinder; wir nähen sie auf Krawatten, Tischdecken und Schals, ihr Konterfei schmückt unsere Bildschirmschoner, und der Schatten eines Engelsflügels darf das Logo der Einladungsmail für die Weihnachtsfeier sein. Es ist so weit und damit zu spät: Die Deutungshoheit über den Engel ist an den Teufel Kommerz verloren gegangen, das sagen jedenfalls die Kommerzteufelsaustreiber, die ja zumeist auch keine Engel sind. Genauso wie der Teufel ja auch eine Art Engel außer Diensten ist.

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