Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) Dass der Husten nicht sonderlich beliebt ist, liegt weniger an ihm als an den von ihm befallenen Menschen. Diese halten ihn für eine Krankheit, obwohl er in aller Regel doch nur ein Symptom ist und sich auf seine zugegebenermaßen wenig anheimelnde Art darum bemüht, die Atemwege von allerlei störenden Substanzen zu befreien. So weit unser kleiner Hausarzt. Die Meinung, der Husten sei ein weiträumig ansteckendes Übel, hat sich dennoch halten können, am hartnäckigsten in der Redensart, wonach dieser krank werde, wenn jener huste. Eben hat ein Heilkundiger wieder diese Diagnose gestellt. Alfred Gaffal, der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, sagte: "Wenn die Automobilindustrie hustet, ist Bayern krank." In der klassischen Rhetorik nennt man das einen Topos, und wie es den Anschein hat, ist dieser Topos nirgends beliebter als in der autobezogenen Rede: Wenn BMW hustet, ist die Industrie krank; wenn Opel hustet, ist Bochum krank; wenn Daimler hustet, ist das ganze Land krank; und wenn - umgekehrte Abfolge - Amerika hustet, ist Toyota krank. Der Topos ist so stark, dass sich Leitartikler oft mit dem Konditionalsatz begnügen, diesen aber um vielsagende Pünktchen ins Apokalyptische hinein verlängern: "Wenn BMW hustet ..." Dann, soll das heißen, ist Matthäi am Letzten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: