Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Dem rheinischen Wesen ist bekanntlich eine gewisse, gelegentlich ins Leichtfertige diffundierende Leichtigkeit eigen: Ett hätt noch imme joht jejange, es sei noch immer gut gegangen. Sollte dies einmal nicht zutreffen wie jüngst beim Absturz des FC oder seinerzeit des Kölner Stadtarchivs, trösten sich die Rheinländer mit den Worten: Ett kütt, wie ett kütt. Man tut den Kollegen des in Köln ansässigen Boulevardblattes Express vor diesem Hintergrund vielleicht kein Unrecht mit der Annahme, dass sie das Widerspiegeln dieses lässigen Lebensgefühls nicht immer als ihre vordringlichste Aufgabe betrachten. Ihr Augenmerk gilt - gleich nach der Frage, wer sich auf welchem Dschungel- oder Inselcamp wieder warum vor wem entblättert hat - vor allem den dunklen Seiten des rheinischen Wesens. Erst Anfang der Woche suchte und fand der Express wieder "Kölns ekeligstes Schaufenster" und kommentierte: "Anwohner fassungslos: Hier verschimmeln ganze Torten!" Ein anderes Mal fand der Express "den größten Schandfleck Kölns", eine verrümpelte Ecke in den Ehrenfelder Bahnbögen. Bonn und Düsseldorf, Kölns schönere und wohlhabende Schwestern, tauchen im Blatt fast ausschließlich in einer Weise auf, als hätten beim jüngsten Wieverfastelovend nicht die Weiber die Macht in den Rathäusern übernommen, sondern die Herren vom Sinaloa-Kartell.

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