Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Die Bahn sucht gerade eine neue Stimme für ihre Lautsprecherdurchsagen in den Bahnhöfen, seit Wochen wird gecastet. Die alte Bahnhofsstimme hat ihren guten Klang verloren, weil sie den Fahrgästen dauernd ernüchternde Nachrichten überbringen muss. Eine Konservenstimme, die von Vielfahrern "Blech-Else" genannt wird. Für die, die nicht so viel Bahn fahren: Nach einem kurzen Gongschlag sagt die Bahnhofsstimme: "Information zu ICE 537 nach München Hauptbahnhof über Fulda, Abfahrt 13.23." Das ist dann ziemlich exakt der Punkt, an dem sich entscheidet, wie der weitere Tag des Reisenden verläuft, denn nun nennt die Bahnhofsstimme das Ausmaß der Verspätung, und weil sie eine Automatenstimme ist, räuspert sie sich nicht mal, wenn sie sagt: "Heute circa vierzig Minuten später." Manchmal referiert sie Startort, geplanten Fahrtverlauf, Zielort und sagt dann: "Fällt heute aus." Die Bahnhofsstimme ist wie ein Kellner, der einem die Menüfolge vorliest, Hauptgang, Dessert, ein feiner Käse - und dann: "Haben wir heute alles nicht da."