Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Jeder weiß, dass in Berlin folgendes Kräfteverhältnis herrscht: Der Gewalt der Probleme wirkt die Macht der Ideen zu hundert Prozent entgegen. Nirgendwo sonst in Deutschland liegen derart viele Dinge im Argen, dass man sie förmlich vor sich liegen sieht wie tote Karpfen in einem ausgetrockneten Flussbett. Das Arge ist in Berlin so zu Hause wie der Föhnwind in München daheim ist. Warum soll man alles aufzählen, was Tag für Tag im Tagesspiegel und an sonstigen Orten der Fassungslosigkeit aufgezählt wird, die Eimer unter den Löchern in den Decken der Schulen; die Briefe, die Eltern auf Knien an die Leiter der Kindertagesstätten schreiben, damit sie einen Platz in einem Hort bekommen, der Popelbühne heißt oder Kiezzwerge; die elenden Rempeleien in der S-Bahn-Unterführung, die S-Bahn selbst, deren Kommen und Gehen seltenen Launen unterworfen ist und die vielen, vielen Obdachlosen und Junkies in den Bahnhöfen?