Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wenn es eine verlässliche Referenzgröße für die umfassende Disqualifizierung in Geschlecht, Hautfarbe und Lebensjahren geben sollte, so müsste sie in der Gestalt des weißen alten Mannes zu finden sein. Der weiße alte Mann ist alles, was man nicht sein darf, wenn man privat oder beruflich etwas mit Hashtag macht: Er ist weiß, alt und männlich, man könnte auch sagen, er sei ein gesellschaftliches Auslaufmodell, denn die Zukunft wird bunt, weiblich und jung sein. Aber Polemik und albernes Beleidigtsein helfen hier nicht weiter, sie sind im Gegenteil dumm und läppisch, denn selbstverständlich gibt es weiße, alte Männer, die nicht gut sind für die Welt: Trump, Heino und Diether Dehm. Andererseits applaudieren wir auch wieder weißen, alten Männern, die Schönes und Gutes getan haben, Bob Dylan zum Beispiel oder Klaus Wowereit. Was ist sonst noch soziologisch interessant am weißen alten Mann? Vielleicht, dass man lediglich ein Adjektiv austauschen muss, um das Subjektmodell wieder frisch auf die Piste schicken zu können.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ist ein junger weißer Mann - und alle lieben ihn? Nein, so einfach ist die Welt nun auch wieder nicht. Viele sind eher gegen Macron, weil er, so der Vorwurf, den Sozialstaat aushöhle und nur etwas für Elite-Menschen übrig habe. Andere mögen ihn, einmal, weil er jung ist und zum zweiten, weil er mit einer weißen, wir sagen in bewährter Eleganz: älteren Frau verheiratet ist. Damit zeige er, dass ältere Frauen auch ein Recht haben, sich mit jungen Politikern sehen lassen zu dürfen, dass also nicht stets der umgekehrte Fall zu gelten habe. Für seine Hinwendung und ungetrübte Sympathie für ältere Frauen hat Macron nun Applaus von der weißen älteren Frau schlechthin bekommen, von Alice Schwarzer nämlich. Alice Schwarzer ist eine Art Protokollfrau des internationalen Geschlechterwesens. Ihr gesamtmoralischer Zuständigkeitsrahmen ist so atemberaubend wie ihre Ansichten ja, sagen wir es mal behutsam: zeitlos sind. Der Illustrierten Bunte sagte Schwarzer jetzt also, Emmanuel Macron, sei "nicht verächtlich gegenüber Frauen über sechzig". Das zeige sich auch in der Art, wie Macron die deutsche Bundeskanzlerin anschaue, die genau so alt sei wie seine Frau.

Nun ist Angela Merkel zwar ein Jahr jünger als Brigitte Macron, aber das ist uninteressant im Vergleich zur journalistischen Methode von Alice Schwarzer, die das Wirken eines Politikers danach beurteilt, wie er eine Politikerin anschaut. Darauf muss man natürlich auch erst einmal kommen. Hätte dergleichen ein Mann gesagt, dann wäre aber - ach, lassen wir das mal lieber, rücken wir stattdessen alle ein bisschen zur Seite und machen wir endlich Platz für die weiße ältere Frau, die es unbedingt besser haben sollte als die weißen alten Männer.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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