Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wenn wir uns heute an die Sprache der Betroffenheit erinnern, kommt es uns vor, als läge ihre Hoch- und Blütezeit eine Ewigkeit zurück. Dabei begann es um die Mitte der Siebzigerjahre, dass viele Leute fast ständig "zutiefst" oder "so was von betroffen" waren und, schlimmer noch, aus ihrer Betroffenheit auch kein Geheimnis machten. Dass die Betroffenen oft gar nicht richtig betroffen zu sein schienen, sondern nur "irgendwie" oder "ein Stück weit", sicherte ihnen den Hohn der Betroffenheitsverweigerer. Sprachkritiker und Dummdeutschforscher wie Eckhard Henscheid werteten die Betroffenheit als einen "Euphemismus für Benommenheit, Behämmertheit, Gedankenlosigkeit oder aber, wenn schon gereimt werden muss, Besoffenheit". Das Betroffensein der ersten Stunde ist verflogen, nicht jedoch die damit verbundene Wortwolke, aus der wir bis heute ungeniert Wörter wie Verletzlichkeit, Freiräume, Verkrustungen, Ängste, an sich heranlassen und authentisch entnehmen können.

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