Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) An manchen Tagen möchte man sich aus dem albernen Alltagszirkus nur noch in einen abgedunkelten Raum zurückziehen. Durch ein Konversationslexikon flanieren und alle Einträge über Würde und Respekt lesen. Pullunder bügeln. Einem Kännchen Grüntee beim Ziehen zusehen. Und dann vielleicht gestärkt an den Sekretär treten, um in gediegenstem Brokatdeutsch ein Entschuldigungsschreiben aufzusetzen: Liebe Buben und Mädchen, sehr geehrte Jugend, hiermit möchten wir in aller Form für die schamlose Ranwanze um Verzeihung bitten, der ihr vonseiten der Erwachsenen Tag für Tag ausgesetzt seid. Ihr seid jung, wir sind alt, ihr wisst das, viele von uns anscheinend nicht ... Ungefähr in diesem Duktus, eine Abbitte für den unwürdigen Lebensfasching, den so viele Erwachsene Tag für Tag aufführen, klar in der Aussage, würdig in der Diktion. Allein, die Jugendlichen würden diese Epistel gar nicht wahrnehmen. Jedenfalls nicht am heutigen Freitag. Da hängen sie nämlich alle an ihren Geräten und schauen fieberhaft, welches Wort denn nun gewonnen hat. Sie wollen schließlich wissen, wie sie ihre Sprache so updaten können, dass sie auch im neuen Jahr fresh klingen und fly sind.

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