Das Streiflicht

(SZ) Freiheit ist ein großes Wort und so eine Sache. Ich bin ein freier Mann! ruft er morgens aus der Küche, der selbstbewusste Mann. Aber erst räumst ausnahmsweise mal das schmutzige Geschirr weg, ruft seine Frau zurück. Ich bin eine freie Frau, sagt die Frau dann später ihrer Freundin - und weiß doch, dass sie wieder mit ihm in diesen kreuzlangweiligen Ferienklub fahren wird und nicht mit dem Rucksack nach Nepal. Ich bin ein freier Denker! exklamiert der Denker, dass es jeder hören kann. So siehst du aus. Ja, die Gedanken sind frei. Aber sie müssen sich auch verkaufen und dem Lektor, dem Chefredakteur und am Ende gar dem Publikum gefallen. "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit", schrieb einst Friedrich Hegel. Und der Revolutionär Lenin und jeder preußische Unteroffizier hatten ihre Freude daran. Heute ist Freiheit die Unterwerfung unters Unausweichliche, dafür aber versüßt mit jeder Menge Freiheitspathos. Ich könnte! Ich müsste nicht! Und lasse es doch. Und mache es doch.