Das Streiflicht

(SZ) Alle beklagen sich über die Langeweile der Wahlplakate. Das ist sehr ungerecht. Wahlplakate stecken voller Geheimnisse und Unsinnspoesie, geben interessante Rätsel auf und manchmal geraten sie in sehr lustige Geschichten hinein. So ist es jetzt dem Wahlplakat der FDP ergangen, auf dem ein unschwer an seinem Dreitagebart erkennbarer Christian Lindner die Parole vertritt: "Schulranzen verändern die Welt. Nicht Aktenkoffer." Die Parole hat sich gerade unversehens in einen Bumerang verwandelt. Aber nicht etwa, weil sie so offenkundig an der Wirklichkeit vorbeigeht, sondern weil ein Video aus dem Jahr 1997 aufgetaucht ist, in dem der 18-jährige Christian Lindner kurz vor dem Abitur auf dem Städtischen Gymnasium Wermelskirchen so ziemlich das Gegenteil verkörpert. Er ist so sehr mit seinem Start-up-Unternehmen beschäftigt, mit dem angemieteten Geschäfts-Benz, seinen Hemden, der Krawatte, der Kundenbetreuung und all dem Kram, dass die Schule für ihn nur Nebensache sein kann. Im Netz ist das Video ein Renner, und so fliegt dem armen Lindner nun ständig seine eigene Parole als Bumerang um die Ohren: "Aktenkoffer statt Schulranzen."