Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

(SZ) Im modernen Regietheater gilt eine Aufführung als geglückt, wenn das Feuilleton anderntags lobend schreibt, die Zuschauer hätten das Haus im Zustand der Verstörung verlassen. Je früher und zahlreicher also die Menschen ins Wirtshaus flüchten, desto besser. Dies reflektiere die gesellschaftskritische, sich bürgerlichen Konventionen und Narrativen verweigernde Wucht der Inszenierung, sagen die Theaterleute. Würde man den Maßstab der Publikumsverstörung ins Politische übertragen, hätte sich das TV-Duell zwischen Kanzlerin und Kandidat als beachtlicher Erfolg erwiesen. Geschätzt oder, wie man heute sagt, gefühlt 99,9997 Prozent der Zuschauer wünschen sich alles, nur bitte kein zweites TV-Duell. Zwei Drittel der Befragten würden sogar lieber freiwillig eine Woche lang alle öffentlich-rechtlichen Politmagazine ansehen (ein Team aus Wichtigen auf der Spur der Hitlerglocke) sowie sämtliche Reality-Sendungen im Privaten, deren Reporter die tapferen Männer und Frauen vom Kammerjägerdienst bei ihrer gefahrvollen Tätigkeit begleiten, als auch nur eine weitere Viertelstunde TV-Duell Merkel vs. Schulz.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: