Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Volkskundler haben am altehrwürdigen "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" zwar dies und das auszusetzen. Für Laien aber, die den Alltag nach dessen schaurigen Hintergründen absuchen, gibt es nach wie vor keine ersprießlichere Lektüre. Wer zum Beispiel wissen will, wie es um das Putzen bestellt ist, erfährt unter dem Stichwort "kehren, Kehricht", dass es beim Kehren ganz entscheidend auf die Richtung ankommt. Man kehrt immer ins Haus hinein beziehungsweise die Treppen hinauf, widrigenfalls man das Glück aus dem Haus hinauskehrt. In manchen Gegenden führt diese Lehre zu der Ansicht, dass ein Reisender, hinter dem man das Zimmer ausfegt, ins Unglück gerät, ein Glaube, der sich natürlich auch gegen unliebsame Gäste wenden lässt: Kehr ihm nach, und du hast ihn die längste Zeit gesehen! Dergleichen weiß kein Mensch mehr. Kaum sind die Gäste fort, wirft man den Staubsauger an, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass Kehricht "vermöge seiner übelabwehrenden Kraft" einst als Sitz des häuslichen Glücks angesehen wurde. Und heute? Ab in die Tonne damit.

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