Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Ehemals stolze Löwen brechen in Tränen aus, felsenfeste Gewissheiten bröckeln, Umfragehochs verwandeln sich in Tiefausläufer, aus Altlinken werden Neurechte, die engsten Bundesgenossen erweisen sich als unzuverlässig, aus einem Händedruck wird ein Schraubstock, ganze Himmelsrichtungen wie der Westen wissen nicht mehr, wo sie anfangen und wo sie aufhören, Pokalsieger werden entlassen, und an den Küsten, liest man, steigt die Flut. Wahrlich, wir leben in unsicheren Zeiten. Gibt es überhaupt noch etwas Verlässliches, etwas, das bleibt, wie es ist? Eine Gewissheit, und sei sie noch so klein? Ja, das gibt es. Denn immer im Mai schlägt die Stunde der Gartenvögel, bei der rund 60 000 Menschen in ganz Deutschland dem Naturschutzbund ihre Beobachtungen aus dem heimischen Garten mitteilen. Nun, Anfang Juni, ist die Auswertung abgeschlossen, und es ist gewiss: Der Spatz bleibt in Deutschlands Gärten trotz eines bedauerlichen Rückgangs der Bestände unangefochten die Nummer eins. Er ist am häufigsten zu sehen, sein "Tschilp-tschilp" am häufigsten zu hören, gefolgt vom leisen "Wäd-wäd" der Spätzinnen. Die Kohlmeisen, Stare und Blaumeisen sind zwar auch häufig, aber seinen gewohnten Spitzenplatz können sie dem Spatz nicht streitig machen.

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