Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Ein sehr rätselhafter Laut ist das "i". In ihm wohnt das Entsetzen, der spitze Schrei des Abscheus, der Ekel und Schrecken angesichts des zutiefst Widerwärtigen. Zugleich aber ist das "i" das Kuscheltier unter den Vokalen, anhänglich und mit kaninchenhaftem Eifer überall zur Stelle, wo es gilt, Spitznamen oder Kosenamen zu erfinden und zur Verniedlichung der Welt beizutragen. Aus der Maus macht es Mausi, aus Joachim Jogi und den Schatz steigert es zu Schatzi. Wer glaubt, das "i" lasse den Kern dessen, woran es sich anhängt, unberührt, der irrt. Von Joachim führen Wege in die Welt des "Zauberberg", zum Vetter Hans Castorps, Jogi gehört eher ins Dschungelbuch. Und dass die goldumglänzte, minnesängerliche Aura, die das Wort "Schatz" umgibt, durch das anhängliche "i" unweigerlich verfliegt, zeigt die Schatzi-Probe. "Schatzi im Silbersee" kann nur ein modernes Beziehungsdrama sein, wahlweise als Vorabendmelodram oder als mitternächtliches Splattermovie.

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