Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Uns Deutschen sagt man nach, zu unseren größten Freuden gehöre es, den Mitmenschen Dinge zu verbieten. Ganz falsch ist das nicht. Immerhin gibt es in den Grünen eine eigene Volkserziehungspartei, die mit Mahnungen, Verboten und Vorschriften eine bessere Welt errichtet. Es lässt sich auch schwer leugnen, dass sich im Land die überraschendsten Verbotschilder finden: Fahrräder nicht an die Burg lehnen! Hunde niemals im See waschen! Der Bau von Strandburgen in einer Entfernung von weniger als fünf Metern vom Steiluferhangfuß ist untersagt! Doch lässt sich die These, das Verbot sei ewiger Bestandteil des deutschen Nationalcharakters, nicht durchgängig halten. So ist der "Rathgeber für München in allen häuslich-polizeilichen Angelegenheiten" des Jahres 1836 vom Geiste der Großherzigkeit getragen. Gewiss, § 8 verlangte das sofortige Einfangen bellender Hunde zur Nachtzeit, und laut § 12 war die Obrigkeit veranlasst, "streng auf Kinderzucht zu halten und die nachlässigen Eltern scharf zu strafen". Andererseits, wer kann sich in unserer Zeit der permissivsten Hunde- und Kinderaufzucht der Einsicht verschließen, dass solche Vorschriften nicht nur von Übel waren. Die Polizeiordnung erlaubte dem Bürger auch einiges, was ihm heute Bußgeldverfahren und Verwarnungen durch die Aufsichtsbehörden einbringen würde: "Das Viehschlachten zur eigenen hausnothdurft steht jedermann frei." Und es war für Mieter kein Problem, "noch vor der Zeit von der Pacht abzutreten, wird man in dem gemietheten Hause durch Gespenster beunruhigt".

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