Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wolfgang Koeppen wäre sicherlich gerne nach Hamburg gekommen. Und Koeppen wäre unter allen denkbaren Ehrengästen der würdigste gewesen. Aber der große Schriftsteller ist seit fast 21 Jahren tot, was ihm die Last nimmt, eine Ausrede erfinden zu müssen, die vielleicht unter seiner Würde gewesen wäre. Und Koeppen hätte sicher eine Ausrede ersonnen. Dieser Koeppen hatte in den 50er-Jahren durch seine Trilogie des Scheiterns Berühmtheit erlangt und sich bald darauf den Ruf erworben, ein Meister des uneingelösten Vorhabens zu sein. Niemand anders als der junge Siegfried Unseld hatte sich die Dienste des vielversprechenden Romanciers für Suhrkamp gesichert. 30 Jahre wartete er dann auf den großen Roman, für den Koeppen immer neue Titel ersann, einer genialer als der andere. "In Staub mit allen Feinden Brandenburgs" ist der berühmteste. Mit dem Tod Koeppens blieb dem nicht mehr jungen Unseld der einzige Roman der Weltliteratur, der nur aus einem Titel besteht. Wolfgang Koeppen wird in Hamburg fehlen wie kein Zweiter.

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