Glosse: Das Streiflicht

(SZ) Vielleicht ist es ein Trost, dass selbst der größte Irrsinn, der uns in diesen Zeiten begegnet, in einen Begriff zu fassen ist. Und wenn dieser Begriff noch den Klangzauber eines semiwissenschaftlichen Terminus hat, können wir uns beinahe schon wieder ein bisschen zurücklehnen und sagen: Nein, die Leute lassen sich vom monströs durchgeknallten Trump, vom völkisch entrückten Höcke und von der spätrevolutionären Butterplinse Marine Le Pen keineswegs Lügen oder bestenfalls Halbwahrheiten auftischen. Sie bewegen sich mit diesen Volkstribunen lediglich in einer politischen Playmobilwelt, in der sich alles beliebig zu immer interessanteren bunten Realitäten zusammenstecken lässt. Mit anderen Worten: Der müde lange Treck der Beladenen und Belogenen ist in einer Art Entlastungsparadies angekommen, nämlich im Zeitalter des Postfaktischen. Hier gibt es keine drückenden Realitäten mehr, die sich mit Zahlen und Dokumenten belegen lassen. Hier gibt es analog zum gefühlten Wetter die gefühlte Wahrheit, die sich jederzeit mit der eigenen Grundstimmung in Einklang bringen lässt.