Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Es ist vermutlich utopisch zu glauben, es führe zu etwas, wenn man sich ständig über die inflationäre Benutzung von Termini wie "utopisch", "inflationär" und "Termini" aufregt. All diese Wörter haben es nämlich in unserem täglichen Sprachgebrauch extrem weit gebracht, und das gilt insbesondere für das Wort "utopisch". Es rangiert in der Tabelle der intelligenten, wenngleich ein wenig rätselhaft klingenden Fremdwörter noch weit vor "kafkaesk"; wobei man bei der munteren Wörtersee-Fahrt des Kafkaesken wohl ein paar Segel streichen muss - viele junge Menschen wissen ja gar nicht mehr, dass Kafka kein Rapper ist, der für seine Verdienste um die deutsche Sprache demnächst mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet wird. Sondern dass er, Kafka, ein großer Schriftsteller war, dessen Werke die Fremdheit des Einzelnen in einer zunehmend funktionalen Welt ausleuchten, also gewissermaßen negative Utopien darstellen. Einzelne, für die der Gebrauch von Fremdwörtern so selbstverständlich ist, wie für den Bäcker der Einsatz von Backfett, sagen zwar zu negativen Utopien "Dystopien", kommen damit aber irgendwie nicht durch. Weil alle anderen glauben, mit "utopisch" sei schon das Abschiedswort für alle guten Hoffnungen gesprochen.

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