Das Streiflicht

(SZ) Es gibt nichts Herrlicheres, als Architekt zu sein. Man darf für Menschen arbeiten, die sich Bauherren nennen und wollen, dass man das Unmögliche schafft, also goldene Brücken, Luftschlösser, den Turm zu Babel oder einen Flughafen in Berlin. Und immer haben diese Leute eine Meinung zu dem, was man tut, so wie seinerzeit der österreichische Kaiser Franz Joseph, der den Bau der Wiener Hofoper in Auftrag gegeben hatte. Er fand, das Gebäude sehe aus wie "eine versunkene Kiste", damals eine Art Todesurteil. Heute wäre ein Großteil der neueren Berliner Architektur mit "versunkene Kiste" noch liebevoll beschrieben - eigentlich könnte man diese Metapher dort über die gesamte öffentliche Hand stülpen. Die Architekten aus dem alten Wien waren seinerzeit tief getroffen und starben bald an ihrem Kummer. Was macht man als Kaiser, wenn die eigene Baubranche aus Diven besteht, deren Nervengebäude bei der kleinsten Kritik zusammenfällt? Man denkt sich eine Floskel aus, die man immer wieder anwendet, der Kaiser wählte, sozusagen als Architekt der Beschwichtigung, den Satz: "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."