Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Ach, wenn man sich nur erkühnen könnte, dieses Jahr nicht schon wieder die übliche, mittelmäßig temperierte Festlichkeitsprosa in die Weihnachtsbriefe zu schreiben! Dass wir unseren Freunden und Verwandten keine Schreckensweihnacht an den Hals wünschen, versteht sich eigentlich von selbst. Und wenn wir schon in die elend teure Papeterie laufen, um handgeschöpftes Briefpapier zum Preis einer Mahlzeit im Tantris zu erstehen, sollte der Text auf dem teuren Material doch auch von schöner stilistischer Reife zeugen. Und von Leidenschaft natürlich, denn mit Weihnachten feiern wir ja das Fest der Liebe. Und damit kann ja nicht nur die Liebe zum Jesuskind gemeint sein, das kennt ja kaum jemand persönlich. Der Dichter Jean Cocteau kannte den Schauspieler Jean Marais dagegen durchaus persönlich, um es diskret auszudrücken. Als das erste Weihnachten nahte, schickte Cocteau seinem jungen Geliebten eine Karte mit folgender Adventsbotschaft: "In meinem Weihnachtsstrumpf finden sich Dein Herz, Dein Körper, Deine Seele, die Lust zu leben und zusammenzuarbeiten."

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