Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Wenn es neben den angeblich sozialen Netzwerken heute noch einen Ort gibt, wo der Mensch seinen Hass ausleben darf, dann in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wird man nicht ohnehin schon von einer Schulklasse in den U-Bahn-Schacht gedrängt, so schreit irgendeine Knalltüte ins Handy, oder es niest einem wer seinen Coffee to go ins Gesicht. Man fühlt, wie sich die Faust in der Tasche ballt, man fühlt, wie alles in einem bereit ist für die hemmungslose Weltverachtung. Das Schöne daran: Weder hat man mit Sanktionen zu rechnen noch mit einem konstruktiven Feedback-Gespräch - die Straßenbahn ist die Kathedrale des gesellschaftlich anerkannten Zorns, ein Paradies eigentlich. Das Blöde daran: Hat der Mensch es sich in der miesen Laune gemütlich gemacht, kommt irgendein Gartenzwerg daher und will die Welt wieder schön und freundlich gestalten. Zum Beispiel der Reformhaus-Philosoph Eckart von Hirschhausen, der in der Berliner U2 vor ein paar Monaten per Durchsage darauf aufmerksam machte, dass die Fahrt in Ruhleben beginnt. Ruhleben! Wie lieb, danke! Und die klugen Berliner? Setzten eine Petition auf gegen dieses Gute-Laune-Regiment.

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