Gipfeltreffen:EU-Regierungschefs halten an Verfassung fest

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Bis 2008 soll es konkrete Fortschritte geben - und Angela Merkel soll als Ratspräsidentin Impulse für die Ratifizierung setzen.

Cornelia Bolesch

Der EU-Gipfel in Brüssel hat den Befürwortern der umstrittenen europäischen Verfassung Auftrieb gegeben. Zwar gelang es den 25 Regierungen nicht, einen Ausweg aus der Krise zu finden, die durch die Ablehnung des Vertrags bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden entstand.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich aber "optimistisch", dass Deutschland während seiner EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 der Diskussion neue Impulse geben könne.

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker sagte, der Gipfel habe entschieden, "mit der Ratifizierung weiterzumachen. Das ist gut für Europa." Die Chancen für die Verfassung stünden heute besser als noch vor einem Jahr, meinte Juncker.

Nach wie vor ist allerdings unklar, wie Frankreich und die Niederlande mit dem Verfassungsprojekt umgehen wollen.

Auch aus Tschechien gibt es starken Widerstand. 15 EU-Länder haben dem Vertrag bisher zugestimmt. Als 16. Land kündigte Finnland die Ratifizierung an.

Der Gipfel einigte sich darauf, die Verfassungsfrage spätestens bis Ende 2008 zu lösen. Merkel begrüßte diesen Zeitrahmen. 2009 würden das Europaparlament und die EU-Kommission neu bestimmt. Dadurch entstehe für die Reformdebatte der "dringend erforderliche Zeitdruck".

Parallel zum Fortgang der Verfassungsdebatte will die EU mit einer Liste von 35 konkreten Aktionen das Vertrauen der Bürger in die EU stärken. So soll die Arbeit im Ministerrat transparent werden.

Die Beratungen über Gesetze, die mit dem Parlament zusammen verabschiedet werden, werden künftig öffentlich geführt. Auf Wunsch der Briten wird nach einem halben Jahr geprüft, ob die "Qualität der Diskussionen" durch die Anwesenheit der Kameras gelitten habe.

Bei der Erweiterung wollen die Regierungen künftig stärker auf Bedenken der Bürger eingehen. Die Kommission bekam den Auftrag, bis Herbst 2006 die "Aufnahmefähigkeit" der EU zu definieren.

Dazu gehöre neben ihrer Arbeitsfähigkeit auch der Aspekt, "wie die Erweiterung zurzeit und in Zukunft von den Bürgern wahrgenommen wird". Im Entwurf der Schlusserklärung war noch vom "Kriterium" der Aufnahmefähigkeit die Rede.

Keine neue Hürden für Kandidaten

Dieses Wort wurde zuletzt gestrichen, um Beitrittsländer nicht zu verunsichern. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bekräftigte, es sei nicht die Absicht gewesen, neue Hürden für die Kandidaten aufzubauen.

Nach Ansicht von EU-Ratspräsident Wolfgang Schüssel ist die EU-Erweiterung eine "große Erfolgsgeschichte". Dass Slowenien bald das 13. Euro-Land werde, sei ein "starkes Signal". Ärger gab es jedoch, als sich beim Gipfel

fünf neue EU-Staaten hinter den abgewiesenen Euro-Kandidaten Litauen stellten. Auch zwischen EU und Türkei herrscht Krisenstimmung.

Ministerpräsident Tayyip Erdogan wies in Istanbul die Forderung der EU zurück, endlich Zypern anzuerkennen. Wolfgang Schüssel entgegnete für die EU: "Dann haben wir ein Problem."

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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