Gesundheitsreform verzögert sich:"Einstampfen, neuen Anlauf nehmen"

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Die Reform wird um drei Monate verschoben, aber der Spott von Opposition und Krankenkassen bleibt aus. Sie sehen die Verzögerung als Chance. Die Bundesregierung lobt sich derweil selbst für ihre Gelassenheit und verschiebt gleich noch ein Großprojekt.

Nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll die Gesundheitsreform wegen der Vielzahl ungeklärter Fragen nun doch nicht zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Bahr, forderte, die bisherigen Pläne "einzustampfen und einen neuen Anlauf zu unternehmen". Merkel habe die Notbremse gezogen, weil die Kritik von allen Seiten immer massiver geworden sei. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sei "mit ihrem Vorpreschen zunächst gestoppt worden".

Auch die Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert und die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender forderten: "Union und SPD sollten die Bedenkzeit nutzen, um das angerichtete Reformchaos wegzuräumen."

Kein hopplahopp

Die Betriebskrankenkassen bezeichnen die Verschiebung der Reform als Ausdruck von Souveränität: "Die Beratungszeit nachträglich dem gestiegenen Beratungsbedarf anzupassen."

Der Präsident des Sozialverbands Deutschlands, Adolf Bauer, verlangte einen Verzicht auf den geplanten Gesundheitsfonds. Damit "würden sich viele Schwierigkeiten der großen Koalition von selbst erledigen".

Der Fraktionschef von CDU/CSU, Volker Kauder, begründete den Aufschub damit, die Koalitionsparteien hätten "Wert darauf gelegt, Qualitätsarbeit abzuliefern". Schließlich seien von dem Vorhaben Millionen von Menschen betroffen.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sprach von einer "völlig unspektakulären Sache". Man habe einfach keine Fehler machen wollen.

Baustelle Unternehmenssteuer

Franz Müntefering sagte, man habe im Herbst zwei, drei Wochen mehr Zeit für Beratungen. "Die Frage war einfach: Machen wir jetzt hopplahopp und sorgen dafür, dass es noch vor Weihnachten beschlossen wird?", so der Arbeitsminister.

Mehr Zeit lassen will sich die Bundesregierung auch bei der Reform der Unternehmenssteuer. Olaf Scholz, Fraktionsgeschäftsführer der SPD, sagte, der Gesetzentwurf werde erst nach dem Januar 2007 in den Bundestag eingebracht. Man werde sich nicht unter "unnatürlichen Druck" setzen lassen, meldet die Nachrichtenagentur ddp.

Die Unternehmenssteuerreform werde aber dennoch planmäßig am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Vorgesehen ist, die Steuerbelastung der Kapitalgesellschaften von derzeit 38,65 Prozent auf unter 30 Prozent zu senken.

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