Gesundheitsreform:"Gehört gestrichen und komplett neu gemacht"

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Die Diskussion um die Gesundheitsreform ist kurz vor Weihnachten wieder aufgeflammt: CDU und CSU machen Ministerin Schmidt schwere Vorwürfe.

Nach massiven Zweifeln aus Unionsländern liefert sich die große Koalition kurz vor Weihnachten einen heftigen Schlagabtausch über die Gesundheitsreform. Die SPD-Spitze warf Bayern, Baden-Württemberg und Hessen vor, ein zentrales Regierungsprojekt sabotieren zu wollen. Dagegen machte die CSU Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erneut schwere Vorwürfe, weil sie die finanziellen Folgen der Reform noch nicht geklärt habe.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich gesprächsbereit über angebliche Mehrbelastungen. Ungeachtet des scharfen Tons traten Ministerium und Unions-Fraktionsspitze dem Eindruck entgegen, die Reform, die zum 1. April 2007 in Kraft treten soll, stehe auf der Kippe.

"Die Bundesregierung hat den festen Willen, die im Zusammenhang mit einem neuen Gutachten aufgetretenen Probleme zu lösen", sagte Merkel der Bild am Sonntag. "Ich will gemeinsam mit den Ländern hier besonnen und zielgerichtet vorgehen."

Ihr Generalsekretär Ronald Pofalla rief beide Seiten in der BamS zur Mäßigung auf. "Die Koalition hat jetzt die Aufgabe, bei der Gesundheitsreform ihrer Verantwortung gerecht zu werden."

"Regieren oder rumpöbeln"

Zuvor hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil der Berliner Zeitung gesagt: "Notwendige Reformen lassen sich nicht realisieren, wenn jeder gefundene Kompromiss im Nachhinein von der unionsinternen Opposition in den Ländern wieder sabotiert wird."

Der Süddeutschen Zeitung sagte er: "Die CSU muss sich entscheiden, ob sie regieren oder nur rumpöbeln will." Der Bundesrat hatte sich am Freitag für grundlegende Änderungen an den Reformplänen ausgesprochen. CSU-Chef Edmund Stoiber drohte offen mit einem Nein.

"Frau Schmidt fügt der großen Koalition mit ihrem Vorgehen schweren Schaden zu", sagte CSU-Generalsekretär Markus Söder der SZ. Schmidts Vorschläge zum Umbau der privaten Krankenversicherung seien eine "totale Bankrotterklärung".

Stoiber hatte am Freitag unter Hinweis auf eine neue Studie vorgerechnet, der neue Risiko- Strukturausgleich würde die Krankenkassen der reichen Länder wie Bayern mit 1,7 Milliarden Euro, Baden-Württemberg mit 1,6 Milliarden und Hessen mit 700 Millionen Euro belasten.

Das Gesundheitsministerium bezeichnete die Debatte als abwegig. "Diese Kritik, dass Bayern mit über einer Milliarde Euro belastet wird, ist Quatsch", sagte Ministeriumssprecher Andreas Deffner.

Bei den Verhandlungen habe Bayern durchgesetzt, dass die zusätzliche Belastung durch den Gesundheitsfonds für die Länder 100 Millionen Euro nicht überschreiten dürfe. Das stehe auch so im Gesetzentwurf.

Das Ministerium beruft sich auf Modellrechnungen des Bundesversicherungsamts, das für den Risiko-Strukturausgleich zuständig ist. Danach verlieren Bayerns Krankenkassen durch den Fonds etwa 70 Millionen Euro.

Auch die neue Forderung aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg nach einem wissenschaftlichen Gutachten bis Mitte 2008 sei unverständlich, sagte der Sprecher. Dieses sei ebenfalls im Gesetzentwurf vorgesehen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach machte Merkel Vorwürfe. "Die Kanzlerin lässt uns komplett hängen", sagte er der Welt am Sonntag.

SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen sagte dem Blatt, die Situation lasse zwei Interpretationen zu: "Entweder brüskieren die Unions-Ministerpräsidenten erneut die Kanzlerin. Oder aber es wird kaltschnäuzig mit geteilten Rollen gespielt."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der B.Z. am Sonntag, er sei sich sicher, dass die Reform zum 1. April 2007 in Kraft treten könne. Der Ministeriumssprecher sagte: "Es wird sicher eine ordentliche Lösung geben."

DGB-Chef Michael Sommer und der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr forderten die Regierung auf, die Reform nochmal von vorn anzugehen.

Sommer sagte der Bild am Sonntag: "Die große Koalition sollte das gesamte Reformvorhaben noch einmal grundlegend überdenken." Bahr sagte: "Die schwarz-rote Gesundheitsreform gehört nicht nur geändert, sondern gestrichen und komplett neu gemacht."

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