Gesundheitsreform:Das Ende einer Endlos-Debatte

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Nach der quälenden Gesundheitsreform sollten die Parteien ideologisch abrüsten. Der große Wurf, der mit einem kühnen Konzept alle Probleme beseitigt, ist ohnehin ein Hirngespinst.

Ein Kommentar von Andreas Hoffmann

Geschafft. Der Bundestag hat die Gesundheitsreform verabschiedet. Nun dürfen die Bürger hoffen, nicht weiter mit einer Endlos-Debatte angeödet zu werden.

Endlich gibt es keine neuen ,,Durchbrüche'' der Koalition mehr, die bald wieder versperrt sind. Natürlich muss der Bundesrat noch zustimmen, aber die Länderkammer wird das Drama kaum fortsetzen. Alle Beteiligten wollen Ruhe - und das gehört zum Gutem an diesem Tage.

Vom Gesetz lässt sich wenig Gutes sagen. Es ist in vielem das Gegenteil dessen, was Union und SPD stets gefordert haben. Sie wollten Beiträge senken, um Jobs zu verbilligen. Nun steigen die Sätze - und zwar kräftig. Sie wollten mehr Wettbewerb, aber nun gibt es einen Einheitsbeitrag. Sie wollten die Basis der Kassen sichern, nun schwächelt deren Fundament, weil keiner weiß, was die Zukunft bringt und wie der Staat seine Milliarden für die Kassen aufbringen will. Sicher ist nicht alles schlecht.

Für Menschen ohne Gesundheitsschutz bessert sich die Lage, auch für Patienten, die daheim sterben wollen. Für die Reform gilt: Ein fauler Apfel bleibt faul, auch wenn manche Stellen genießbar sind. Aber warum hat man so wenig erreicht?

Gesundheit geht alle an

Gesundheitspolitik ist schwer zugänglich. Viele Menschen schreckt das Fachchinesisch ab, weshalb Experten und Lobbyisten oft unter sich bleiben. Das nützt, um Interessen durchzusetzen. Zugleich aber geht Gesundheit alle an. Jeder von uns hat Angst, dass ein Tumor in ihm wächst, dass ihm eine wichtige Pille vorenthalten wird. Krank zu werden und hilflos zu sein ist eine Urangst.

Auch dies hilft Lobbyisten. Sie können die Gefühle der Menschen nutzen und ihre Eigeninteressen zum Gemeinwohl erklären. Es ist dieses Wechselspiel zwischen kompliziertem Sachverhalt und Ansprache der Gefühle, was jeden Wandel erschwert. Zusätzlich haben Union und SPD in den letzten Jahren weitere Hürden aufgebaut.

Sie haben die Reform ideologisch aufgezäumt. Angela Merkel dachte, mit der Idee der Kopfpauschale sich als Radikalreformerin inszenieren zu können. Die SPD wollte mit der Wohlfühlreform Bürgerversicherung die Menschen beglücken. Beide Ideen waren mehr Politikmythen als Hilfen für die Realität. Aber die Phantasiegebilde wirkten nach und lähmten die Parteien. Den Rest besorgten irrlichternde Länderfürsten und die gut arbeitenden Lobbyisten.

Gefahr der Enttäuschung

Für künftige Sozialreformen lässt sich nur ein Schluss daraus ziehen. Die Parteien müssen ideologisch abrüsten. Der große Wurf, der mit einem kühnen Konzept alle Probleme beseitigt, ist ohnehin ein Hirngespinst. Für die praktische Politik taugt er nicht, er lähmt die Handelnden und führt zu Enttäuschungen, wenn der heilige Gral mal wieder nicht gefunden wurde. Schon heute wenden sich viele Menschen von der Politik ab, weil sie ihr wenig zutrauen. Diesen Trend hat das Gesundheitsspektakel verstärkt. Doch eine Abkehr der Wähler höhlt langfristig die Basis der Demokratie aus.

Noch ist unklar, ob sich Union und SPD zum Abrüsten durchringen. Bei der anstehenden Pflegereform wollen manche einen neuen Ideologiestreit führen, getreu dem Motto: Was wir bei der Gesundheit nicht erreicht haben, schaffen wir jetzt bestimmt. Ein solcher Ansatz ist fatal.

Überzeugende Pflegereformkonzepte gibt es nicht. Dies hängt auch schlicht damit zusammen, dass wir die Folgen der alternden Gesellschaft kaum richtig einschätzen können - auch wenn manche Fachleute anderes sagen. Was möglich ist, sind Wegmarken zu setzen. Wegmarken dafür, wie Solidarität in der modernen Industrie- und Kommunikationsgesellschaft neu organisiert werden kann. Wegmarken, die dafür sorgen, dass Arme nicht an den Rand gedrängt und Mittelschichtfamilien nicht überfordert werden.

Das ist nicht einfach, aber nüchterne Politik kann helfen, weil sie vor Enttäuschungen bewahrt. Vielleicht haben Union und SPD aus dem Gesundheitsgequäle gelernt. Es ist zu hoffen.

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