Gesundheitsgipfel:"Wir können nicht die Zeit vor die Qualität setzen"

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Kurz vor dem Spitzengespräch der großen Koalition zur Gesundheitsreform schätzen SPD und Union die Erfolgschancen recht unterschiedlich ein.

Um 19 Uhr treffen sich die Spitzen der großen Koalition im Kanzleramt, um die strittigen Punkte endlich beizulegen. Ungelöst ist weiterhin die Frage der so genannten Ein-Prozent-Klausel bei Zusatzbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung. Die Spitzenrunde aus CDU, CSU und SPD wird auf der Grundlage eines Kompromisses der Gesundheitsexperten der großen Koalition verhandeln. Diese hatten sich am Montag auf neue Regelungen zum Finanzausgleich und für die privaten Krankenkassen geeinigt.

Kurz vor Beginn des Gesundheitsgipfels wurden die Einigungschancen innerhalb der großen Koalition unterschiedlich eingeschätzt.

"Es gibt einen guten Willen zur Einigung", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Nach Angaben von Wilhelm bleibe es bei dem Zeitplan, dem Kabinett in der zweiten Oktoberhälfte einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann sagte im SWR, sie rechne mit einer Bestätigung der umstrittenen Ein-Prozent-Regel, mit der eine Obergrenze für Zusatzbeiträge an die Krankenkassen gezogen werden soll und die bei der Union auf Kritik stößt.

SPD will Zusatzbeitrag für möglichst wenige

Demgegenüber betonte CSU-Generalsekretär Markus Söder, er erwarte von dem Gipfeltreffen am Abend noch keine endgültige Einigung: "Wir können nicht die Zeit vor die Qualität setzen", sagte Söder im Bayerischen Rundfunk.

Die SPD will, dass möglichst niemand den umstrittenen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung zahlen muss. Dies machten Vizekanzler Franz Müntefering und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor dem Koalitionsgipfel deutlich.

"In der Regel sollen die Kassen auskommen mit den Beiträgen, die sie nehmen dürfen", sagte Müntefering im Deutschlandfunk. "Nur solche Kassen, die, weil sie schlecht organisiert sind, zusätzliches Geld brauchen, dürfen zusätzliche Beiträge nehmen." Diese seien dann auf ein Prozent des Haushaltseinkommens begrenzt, betonte der SPD-Politiker.

Auch Schmidt sagte in Berlin, der geplante Gesundheitsfonds, der aus staatlich festgelegten Einheitsbeiträgen finanziert wird, werde zum Start 2008 sämtliche Krankheitskosten abdecken. "Da braucht eigentlich keiner einen Zusatzbeitrag", sagte Schmidt.

Grüne: Merkel soll Fonds kippen

CSU-Chef Edmund Stoiber lehnt laut Angaben aus der Parteiführung eine endgültige Zustimmung zu der Reform ab, solange kein entscheidungsreifer Text vorliege. Stoiber fürchtet, dass Bayerns Krankenkassen durch den geplanten Gesundheitsfonds Verluste von 1,7 Milliarden Euro entstehen. Deshalb will München für Bayern und andere Länder mehr Geld aus dem Fonds.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag angedeutet, dass sie im Zweifelsfall ein Machtwort sprechen könnte. "Zum Schluss habe ich die Gesamtverantwortung und muss dann schon sagen, wo es lang geht", sagte sie. Zuvor hatte SPD-Chef Beck sie aufgefordert, sich in ihren eigenen Reihen durchzusetzen.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte Merkel auf, die geplante Geldsammelstelle fallen zu lassen. "Der Gesundheitsfonds würde dazu führen, dass die Krankenkassen nicht mehr mit unterschiedlichen Beitragssätzen um Kunden werben, sondern dass vom Staat ein Einheitsbeitragssatz festgelegt wird", sagte Bütikofer der "Financial Times Deutschland". "Wer am Wettbewerb interessiert ist, sieht, dass das Unsinn ist. Der Fonds ist Murks."

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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