Gesundheitsfonds:Der lange Schatten des bayerischen Wahlkampfs

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Die Verschiebung der Gesundheitsreform verdankt Deutschland offenbar Edmund Stoiber. Denn bis zur Landtagswahl in Bayern 2008 könnte die Reform zu deutlich gestiegenen Krankenkassen-Beiträgen führen. Zum Schaden der CSU, befürchtet Stoiber.

In der großen Koalition ist offenbar ein ernsthafter Konflikt über die Gesundheitsreform aufgebrochen.

Nach Informationen der Berliner Zeitung soll es bei dem Treffen der Koalitionsspitzen am vergangenen Mittwoch eine heftige Auseinandersetzung über Kernfragen des Projekts gegeben haben. CSU-Chef Edmund Stoiber habe den geplanten Gesundheitsfonds, das Herzstück der Reform, massiv in Frage gestellt, meldete das Blatt unter Berufung auf Koalitionskreise.

Die Entscheidung, die Reform um drei Monate auf April 2007 zu verschieben, sei auf Druck von Stoiber zu Stande gekommen. Die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten habe sich daran entzündet, dass der Gesundheitsfonds die gesetzlich Versicherten finanziell belasten werde.

Stoiber habe in der Runde bemängelt, dass die Krankenkassen ihre Beiträge im Zuge der Einführung des Fonds im Jahr 2008 erneut deutlich anheben müssten. 2008 stehen in Bayern Landtagswahlen an. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die neue Bürokratie Probleme verursache und für Chaos beim Beitragseinzug sorge, habe Stoiber geltend gemacht.

Angesichts wachsender Zweifel an der geplanten Reform hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck am Wochenende erneut das Schicksal der großen Koalition an das Projekt geknüpft.

Die Reform müsse gelingen, "damit die Koalition bis 2009 hält", sagte er der Bild-Zeitung. "Eine nochmalige Verschiebung können und dürfen wir uns nicht leisten."

Zuvor hatten auch die SPD-Landeschefs Heiko Maas und Christoph Matschie gefordert, den Gesundheits-Kompromiss neu aufzuschnüren - und dies, obwohl der SPD-Vorsitzende Kurt Beck zuvor allen Änderungswünschen eine Absage erteilt hatte. Auch der CSU-Politiker Max Straubinger forderte eine Abkehr vom vereinbarten Gesundheitsfonds.

Die Union will die dreimonatige Verschiebung der Gesundheitsreform zu einer genauesten Überprüfung des Gesetzentwurfes nutzen. Man werde "aufpassen wie ein Schießhund", damit "nicht getrickst wird", sagte CSU-Generalsekretär Markus Söder im ZDF.

Nachbesserungen, Zurückstellungen und Häuserkämpfe

Einen Verzicht auf den Gesundheitsfonds forderte der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger. Er sagte dem Handelsblatt: "Wir sollten die Finanzierungsfrage zurückstellen und im bewährten System weiter fahren." Im Gesundheitsfonds würden "Elemente verbunden, die nicht zu verbinden sind".

Eine Sprecherin der CSU-Landesgruppe sprach allerdings von einer "Einzelmeinung".

Nach den zunehmenden Forderungen in der SPD nach Nachbesserungen verlangte Fraktionsvize Ludwig Stiegler mehr Disziplin von seiner Partei. Beim Streit um den Gesundheitsfonds handele es sich um einen "Häuserkampf um Paragrafen und Details".

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, warnte vor den Folgen, die ein Scheitern der Gesundheitsreform für die große Koalition haben könnte. "Die Gesundheitsreform ist der Lackmustest dieser Koalition. Sie muss gelingen, damit die Koalition bis 2009 hält", sagte Struck der Bild-Zeitung.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte dazu in Berlin: "Die Äußerungen von Peter Struck belegen den fortschreitenden Verfallsprozess der Koalition. Wenn Deutschland die Wahl hat zwischen dem schwarz-roten Gesundheitsmurks und Neuwahlen, sind Neuwahlen für Deutschland jedenfalls besser."

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte am Freitag angekündigt, Mitte Oktober solle der Gesetzentwurf auf Basis der Eckpunkte ins Kabinett kommen und auch in erster Lesung im Bundestag behandelt werden. Die Verschiebung des In-Kraft-Tretens auf April 2007 sei vor allem wegen der Beratung im Bundesrat nötig gewesen.

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) bezeichnete die Reform als einen Kompromiss "für wenige Jahre". Der Berliner Zeitung sagte er: Danach könnten CDU und SPD jeweils ihre Wähler davon überzeugen, in die eine oder andere Richtung weiterzumachen.

Die Linksfraktion im Bundestag will sich dafür einsetzen, dass Ärzte künftig wesentlich stärker entsprechend der Zeit bezahlt werden, die sie für ihre Patienten aufwenden. Das gehe aus einem Gesundheitskonzept der Fraktion hervor, das der frühere Berliner Ärztekammerpräsidenten Ellis Huber verfasst habe, berichtet der Tagesspiegel.

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