Genetischer Fingerabdruck:Das Phantom aus dem Erbgut

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Nur ein paar Körperzellen und ein bisschen Laborarbeit: Mehr braucht es nicht, um einen genetischen Fingerabdruck zu erstellen. Die DNS-Analyse verrät dabei weit mehr, als ein normaler Fingerabdruck je könnte: zum Beispiel Haar- oder Augenfarbe. Und das ist erst der Anfang.

Von Tina Baier

Ein paar Hautzellen auf dem Kabel, mit dem Rudolph Moshammer erdrosselt wurde, haben den Mörder verraten. Denn Körperzellen sind genau das Ausgangsmaterial, das Ermittler für einen genetischen Fingerabdruck brauchen.

Der genetische Fingerabdruck ermöglicht bereits jetzt Aussagen über Geschlecht, Haar- oder Augenfarbe von Verdächtigen. (Foto: Foto: AP)

Woher die Zellen stammen, aus Haut, Haaren oder Blut, ist egal. Denn jede Zelle eines Menschen enthält dasselbe Erbgut, dieselbe Desoxy-Ribonukleinsäure (DNS). Auf der DNS sind alle genetischen Informationen über ein Individuum in Form von Genen gespeichert.

Nur ein kleiner Teil des Erbguts

Für die Analyse der verräterischen Hautschuppen lösten die Ermittler als erstes die Zellen auf, sodass sie an die DNS gelangten (normalerweise befindet sich das Erbgut in einem abgeschlossenen Bereich der Zelle, dem Nukleus).

"Um einen genetischen Fingerabdruck zu machen, untersucht man standardmäßig acht ausgewählte DNS-Abschnitte", sagt Anton Kraft, Biologe beim Landeskriminalamt in München. Diese machen nur einen geringen Anteil der Erbinformation aus. Es ist, als betrachte man von der Erde, deren Umfang etwa 40000 Kilometer beträgt, einen 20 Meter langen Abschnitt.

Die ausgewählten DNS-Bereiche sind nicht-codierend; das heißt, sie enthalten keine Gene und damit auch keine direkten Informationen, etwa über die Augen- oder Haarfarbe eines Verdächtigen. Wissenschaftler nennen sie Short Tandem Repeats (STRs), da sie aus DNS-Stücken bestehen, die sich ein paarmal hintereinander wiederholen.

Wie oft sie das tun, ist für jeden Menschen charakteristisch. Und genau deshalb sind die STRs so gut für einen genetischen Fingerabdruck geeignet.

Unverwechselbare Charakteristika

Um sie untersuchen zu können, werden die STRs in einem speziellen Verfahren, der Polymerase Kettenreaktion, millionenfach vervielfältigt (für die Idee hat der amerikanische Wissenschaftler Kary Mullis 1993 den Nobelpreis bekommen). Anschließend sortiert man sie in einem elektrischen Feld nach ihrer Größe.

Anhand der Größe lässt sich erkennen, aus wie vielen Wiederholungen jedes der acht untersuchten STRs aufgebaut ist. Für jedes wird die Anzahl der Wiederholungen notiert. Dadurch ergibt sich eine Zahlenkombination mit acht Variablen, die für jeden Menschen charakteristisch ist.

Die Kombination wird mit den Zahlencodes verglichen, die in der Datenbank gespeichert und auf dieselbe Art und Weise entstanden sind.

Wenn zwei Zahlenkombinationen übereinstimmen, wie im Fall des mutmaßlichen Moshammer-Mörders, sind der Verdächtige und die Person, deren Code in der Gendatenbank gespeichert ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100.000 identisch.

Der genetische Fingerabdruck lässt aber noch andere Rückschlüsse zu.

So ist es möglich, das Geschlecht eines Verdächtigen zu bestimmen. Auch kann man mit Hilfe der STR-Analyse relativ gut erkennen, ob ein mutmaßlicher Täter ein Chromosom zu viel besitzt, wie es zum Beispiel bei der Trisomie21, dem Down-Syndrom, der Fall ist.

Aussagen über geografische Herkunft

"Vage Hinweise können die Tests unter Umständen auch auf die ethnische Zugehörigkeit geben", sagt der Kriminalbiologe Mark Benecke; etwa ob es sich um einen Menschen afrikanischer, asiatischer oder kaukasischer Herkunft handelt.

So hatte ein DNS-Test im Fall der beiden Männer, die im Jahr 2002 in den USA willkürlich Menschen erschossen, den Hinweis gegeben, dass es sich nicht, wie Polizisten zunächst vermutet hatten, um weiße Amerikaner handelte - ein Verdacht, der sich bestätigte.

"Die geografische Herkunft wird sich bald noch sehr viel genauer feststellen lassen", sagt Peter M. Schneider, seit kurzem Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für forensische Molekularbiologie, den die Universität Köln eingerichtet hat. Allerdings müssten die Ermittler dafür andere DNS-Bereiche untersuchen als bisher.

Nur eine Frage der Zeit...

Über äußere Körpermerkmale wie Größe, Statur oder Gesichtsform, mit deren Hilfe sich das Phantombild eines Täters erstellen ließe, können die derzeit angewandten Tests keine Auskunft geben. "Dazu müsste man schon die codierenden Bereiche untersuchen", sagt Benecke. Diejenigen Abschnitte im Erbgut also, auf denen sich Gene befinden.

Doch selbst dann wäre es zur Zeit noch nicht möglich, auf das Aussehen eines Verdächtigen zu schließen. Denn man weiß noch gar nicht, wo sich auf der DNS die Informationen etwa für die Körpergröße befinden. Doch früher oder später wird man es wissen - es ist nur eine Frage der Zeit.

Schon jetzt bietet die amerikanische Firma DNAPrint einen Test an, mit dessen Hilfe sich aus einer Probe wie den abgeriebenen Hautzellen des mutmaßlichen Moshammer-Mörders Augen- und Haarfarbe bestimmen lassen.

Keine Bedenken

"Der Test soll ziemlich gut funktionieren", sagt Schneider. Er hätte keine Bedenken, das Aussehen eines Verdächtigen mit Hilfe einer Gen-Analyse zu bestimmen, sobald dies technisch möglich ist. "Schließlich sind das Merkmale, über die auch ein Tatzeuge berichten könnte", sagt Schneider.

Anders als jetzt müsste man den Ermittlern dafür aber erlauben, die codierenden Bereiche zu untersuchen; die Gene also, in denen alle vererbbaren Eigenschaften eines Menschen gespeichert sind - auch solche, die eigentlich niemanden etwas angehen.

© SZ vom 22.01.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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