Geheimdienste vor dem Irak-Krieg:Zu Diensten

Lesezeit: 2 min

Der Krieg im Irak wurde unter falschen Voraussetzungen geführt, und diejenigen, die ihn begonnen haben, lassen prüfen, wie es dazu kam. In Großbritannien legt heute eine Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht über die britische Informationspolitik vor. Eine Zitterpartie für Blair.

Von Hans Leyendecker

Schuld an der Desinformation sollen die Geheimdienste sein. Ende voriger Woche hatte der Verteidigungsausschuss des US-Senats in einem Abschlussbericht der CIA in Sachen Irak schlampige Arbeit, fahrlässige Blindheit und einseitige Information vorgeworfen.

Heute nun soll in London ein Bericht des früheren Kabinettsministers Lord Butler über die Rolle der britischen Geheimdienste vor dem Irak-Feldzug vorgelegt werden.

Das Urteil über den britischen Auslandsnachrichtendienst MI6 wird nicht überraschen: Schlampig, fahrlässig, einseitig.

So ähnlich wird das Fazit sein. Es wäre zutreffend und doch bei weitem nicht die ganze Wahrheit. Die Rolle der Regierenden in London und Washington ist bisher nicht ausreichend ausgeleuchtet worden, und jeder Bericht, der sich damit nicht näher beschäftigt, ist nur die Karikatur einer Untersuchung.

Der US-Senat hat der Regierung des George W. Bush nicht vorgeworfen, sie habe die Urteile der Agenten bestellt oder beeinflusst, obwohl die Beeinflussung massiv war. Nach dem Rezept der Politik waren rohe Informationen der Geheimdienste frisiert und zurechtgekocht worden.

Insbesondere US-Vizepräsident Dick Cheney hatte sich massiv darum gekümmert, dass die Bedrohungsszenarien total waren.

Hinweise von Blix

Der britische Premier Tony Blair ist von Experten wie dem ehemaligen Chefinspekteur der Vereinten Nationen, Hans Blix, vor dem Krieg darauf hingewiesen worden, die Belege seiner Dienste seien nicht überzeugend, aber die Warnungen wurden ignoriert.

Auch Blair beschwor weiter die angebliche Gefahr. Bei zwei Gelegenheiten fielen die Briten durch besondere Chuzpe auf: So wurde im September 2002 ein Dossier veröffentlicht, laut dem Saddam Hussein binnen 45 Minuten in der Lage sei, Massenvernichtungswaffen einzusetzen.

Die Quelle für diese Behauptung war so trüb, dass die CIA damals intern zu dem Ergebnis kam, dies sei Schwindel. Die Briten sind es auch gewesen, die eine von anderen Diensten widerlegte Version aufrechterhielten, dass Bagdad versucht habe, Atommaterial im Niger zu kaufen.

Bush stützte sich in einer Rede an die Nation in einer Passage auf diese Information und musste sich später dafür entschuldigen.

In den kommenden Wochen wird in London vermutlich debattiert werden, ob die falschen Angaben des MI6 auf Irrtümern und Leichtfertigkeiten beruhten oder ob die Geheimdienstler, zunächst zumindest, den Regierenden gefällig sein wollten.

Als Bauernopfer bietet sich der frühere Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, John Scarlett, an, der schon in der Untersuchung Lord Huttons zum Tod des Waffenexperten David Kelly kritisiert worden ist.

Nun wird er, so steht zu erwarten, erneut kritisiert werden, doch Konsequenzen sind nicht zu erwarten: Der Mann, der so danebenlag, soll neuer Chef des MI6 werden.

© SZ vom 14.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: