Geheimdienst-Affäre:Forderungen nach Villepins Rücktritt werden lauter

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Auch Chirac wird nun beschuldigt, von dubiosen Ermittlungen gegen Innenminister Sarkozy gewusst zu haben. Der Präsident scheint wild entschlossen, an seinem Premier Villepin festzuhalten.

Gerd Kröncke

Den Forderungen nach einem Rücktritt des französischen Premierministers Dominique de Villepin haben sich angesichts neuer Enthüllungen in der Clearstream-Affäre nun auch einige Abgeordnete seiner Regierungspartei UMP angeschlossen.

"Es muss endlich Schluss sein", sagte die Parlamentarierin Christine Boutin am Donnerstag, "selbst wenn das durch den Rücktritt von Villepin oder die Auflösung des Parlaments eine institutionelle Krise bedeutet".

Doch Jacques Chirac ist offenbar entschlossen, seinen Premierminister zu halten. Inzwischen ist auch der Staatschef in die Affäre, über die er sich bisher ausschweigt, hineingezogen worden. Nach den Aussagen des Geheimdienst-Generals Philippe Rondot müsste Chirac "Ende 2003, Anfang 2004" unterrichtet worden sein.

Im Auftrag von Chirac, so lautet der Verdacht, den der Premier nun seit Tagen auszuräumen versucht, hat Villepin Anfang 2004 Rondot angewiesen, zu ermitteln, ob sein Rivale Nicolas Sarkozy in eine Schwarzgeld-Affäre verwickelt war. Der Vorwurf gegenüber Sarkozy, ausgelöst durch die gefälschten Hinweise eines Denunzianten, entbehrte jeder Grundlage. Auf der ominösen, einige hundert Namen umfassenden Clearstream-Liste tauchen Politiker von links und rechts auf, jedoch kein einziger Villepinist.

Er habe, beharrt Villepin, "niemals Ermittlungen gegen Politiker, wen auch immer" veranlasst. Zudem dürfe man die damaligen Vorgänge nicht nur aus der heutigen Perspektive beurteilen. Damit versuchte Villepin "die oft stark konstruierten Rivalitäten" zwischen ihm und Sarkozy herunterzuspielen. Er wundere sich auch nicht, dass ein Jahr vor den Wahlen "passenderweise" noch eine Affäre auftauche. Die Freunde, die Villepin geblieben sind, sehen den Premier als Opfer einer Medienkampagne.

Im selben Boot

Auch innerhalb der Regierung wird die Position des Chefs schwächer, einige Minister nähern sich inzwischen dem Lager des Innenministers an. Mit Blick auf die Wahlen fürchten sie, dass der Regierungschef nicht noch ein ganzes Jahr auf seinem Posten bleiben kann. So schätzen Kenner der Szene, dass allenfalls ein Drittel der Ministerriege hinter Villepin steht. Bei den Hinterbänklern wächst die Ungeduld rapide.

"Je mehr diese Affäre fortschreitet, desto weniger begreift man", klagt der UMP-Abgeordnete Jean-Jacques Descamps, für den "Villepin und Chirac im selben Boot sitzen". Doch vor allem aus taktischen Gründen wollen selbst viele von Villepins innerparteilichen Gegnern vorerst an ihm festhalten.

Ein Wechsel ein Jahr vor den Wahlen könnte der gesamten bürgerlichen Rechten, einschließlich des Innenministers Sarkozy, schaden. Villepin selbst hat auf seiner monatlichen Pressekonferenz am Donnerstag betont, dass ein Rücktritt für ihn nicht in Frage komme. In einem Interview der Zeitung Parisien forderte Oppositionsführer François Hollande den Präsidenten auf, die Regierung geschlossen zu entlassen und eine neue zu bilden. Vorgezogene Neuwahlen lehnt auch die Opposition ab.

© SZ vom 5.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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