Geheimdienst-Affäre:BND ließ auch Journalistentelefone abhören

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Offenbar wurden Handys und Privatanschlüsse von Reportern gezielt überwacht und das bereits schon seit den 90er Jahren. Unterdessen gestand ein Focus-Mitarbeiter ein, seine Kollegen für den Bundesnachrichtendienst bespitzelt zu haben - aus Rache.

In der Affäre um die Bespitzelung von Journalisten gibt es neue Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung hat der BND auch die Telefone von Journalisten abhören lassen, um Informationen über deren Quellen zu bekommen.

Die BND-Zentrale in Pullach. (Foto: Foto: dpa)

Es habe "gezielt und zeitlich begrenzt" Lauschangriffe auf Medienvertreter gegeben, zitiert das Blatt Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes. Ende vergangener Woche war bekannt geworden, dass der BND Journalisten ausspioniert und auch genutzt hat, um undichte Stellen zu finden.

Focus-Mitarbeiter verriet Kollegen

Die Affäre ist heute möglicherweise auch Thema einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG).

Ein namentlich nicht benannter Geheimdienstbeamter habe erklärt, die Ausspähung von Journalisten habe "aus einem Mix von menschlichen und technischen Quellen" bestanden, berichtet die Berliner Zeitung.

"Wenn es zum Beispiel Hinweise darauf gab, dass ein Journalist einen internen Vorgang des Dienstes recherchierte, wurde auch sein Telefonanschluss überwacht, um Informationen auf mögliche Quellen zu erlangen", habe der Beamte gesagt.

Es habe aber keine flächendeckende Telefonüberwachung von Journalisten gegeben. Die Lauschangriffe, die der BND häufig im Wege der Amtshilfe von einer anderen Behörde erledigen ließ, seien bis "in die jüngste Vergangenheit hinein" praktiziert worden. Allerdings habe man keine Redaktionsanschlüsse überwacht.

Bundesregierung weist BND in Schranken

Als Konsequenz aus der Affäre hat die Bundesregierung am Montag dem allein für die Auslandsaufklärung zuständigen Geheimdienst verboten, Journalisten als Quellen zu führen oder abzuschöpfen, um so Agenten bei der Weitergabe von brisantem Material an Medienvertreter zu überführen.

Unterdessen räumte der ehemalige Focus-Mitarbeiter Erwin Decker ein, dem BND Informationen über einen Kollegen weitergegeben zu haben. Er habe sich drei bis vier Mal mit dem damaligen BND-Sicherheitschef Volker Foertsch getroffen und ihm Details über das Privatleben des Redakteurs geliefert, sagte Decker dem Radiosender SWR1 Rheinland-Pfalz.

Als Grund gab Decker an, der Kollege habe seine Quellen verraten. "Es war einfach Rache, die ich da üben wollte", sagte Decker.

Stern plant Klage vor Gericht

Die Chefredakteure der beiden von der Affäre betroffenen Magazine Stern und Spiegel planen laut "Hamburger Abendblatt" juristische Schritte gegen den Auslandsgeheimdienst.

"Wir verlangen als erstes Akteneinsicht beim BND. Dann kommen Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Verantwortlichen in Betracht und schließlich eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der betreffenden Aktionen", sagte Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn.

Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust sagte, derlei Praktiken des Geheimdienstes seien "so rechtswidrig wie üblich".

NSA speichert Informationen über deutsche Journalisten

Wie die Nachrichtenagentur ddp berichtet, interessiert sich nicht nur der BND für deutsche Journalisten, sondern auch der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA).

Nach Informationen der Agentur werden dort Namen, Äußerungen und Artikel von kritischen Schreibern wie Seymour Hersh vom New Yorker, aber zum Beispiel auch von Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung und von Spiegel-Autoren gespeichert.

Britische und israelische Nachrichtendienste hätten auf die als "First Fruits" bezeichnete Datei beschränkt zugriff - nicht aber der BND, so ddp.

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