Gefährliche Lebensmittel:Grüne fordern Haftstrafen im Gammelfleisch-Skandal

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Quer durch die Parteien bis hin zum Bauernverband ertönt der Ruf nach einer drastischen Verschärfung der Strafen für den Handel mit verdorbenem Fleisch. Verbraucherschützer halten eine lückenlose Überwachung der riesigen Fleischmengen für unmöglich.

In der Bild-Zeitung sprach sich Grünen Fraktionsvize Bärbel Höhn dafür aus, Unternehmer, die Gammelfleisch in Umlauf bringen, mit Haft zu bestrafen. "Die schwarzen Schafe der Fleisch-Branche gehören ins Gefängnis", sagte Höhn.

Schwere Vorwürfe erhob sie gegen Verbraucherschutz-Minister Horst Seehofer: "Herr Seehofer hat versagt. Angeblich ist vor zehn Monaten jedes einzelne Kühlhaus untersucht worden - und jetzt wird vier Jahre altes Fleisch gefunden."

Sofort lebenslanges Berufsverbot

Bauernverbandspräsident Gert Sonnleitner verlangte ein Berufsverbot für Gammelfleisch-Produzenten. "Die Täter sollten sofort lebenslanges Berufsverbot bekommen, dürften nie wieder mit Fleisch handeln", sagte er der Zeitung.

Außerdem müssten die Namen und Firmenbezeichnungen veröffentlicht werden, "damit die Verbraucher dauerhaft vor ihnen geschützt werden". Die Strafen von derzeit maximal 20.000 Euro seien zu niedrig, sie müssen "drastisch erhöht werden".

In der vergangenen Woche waren fast 100 Tonnen verdorbenes Fleisch in Großhandelsbetrieben in München und Niederbayern sichergestellt worden.

Ein Kunde dieser Betriebe hatte sich bei der Polizei in München gemeldet. Danach wurden am vergangenen Freitag weitere 300 Kilogramm Fleisch sichergestellt.

Mindestens ein Jahr Haft

Der bayerische Verbraucherminister Werner Schnappauf hat erneut härtere Strafen für Unternehmer gefordert, die verdorbenes Fleisch verkaufen. "Er darf das nicht aus der Portokasse zahlen", sagte der CSU-Politiker.

Wer in schweren Fällen mit der Gesundheit der Bürger spiele, müsse mit mindestens einem Jahr Haft bestraft werden. Dies sei zur Abschreckung notwendig.

Außerdem sollten Fleischhändler oder Gastronomen, die verdorbenes Fleisch in den Umlauf brächten, an den öffentlichen Pranger gestellt werden. Dafür brauche man ein hartes Verbraucherinformationsgesetz, sagte Schnappauf.

Der Minister verteidigte erneut das Vorgehen der bayerischen Behörden in der jüngsten Gammelfleisch-Affäre. Auf die Industrialisierung und Internationalisierung der Branche sei mit einer eigenen Spezialeinheit reagiert worden.

Verbraucherschützern zufolge ist kaum ein Sektor im Lebensmittelbereich anfälliger für Betrug und Missbrauch als die Verarbeitung und der Handel mit Fleisch. Thilo Bode von "Foodwatch" bezeichnet das aufgeblasene und undurchsichtige System selbst als den größten Missstand.

Das Riesengeschäft mit dem Fleisch

Der Handel mit Fleisch ist laut Statistik ein Riesengeschäft: Im Jahr 2003 machte die Branche allein in Deutschland 23,4 Milliarden Euro Umsatz. Insgesamt gingen 7,6 Millionen Tonnen Fleisch im Wert von 2.000 bis 3.000 Euro je tausend Kilogramm über die Ladentheken und in die Lebensmittelindustrie.

Vor allem diese unüberschaubaren Mengen und die sich immer weiter aufsplitternde Arbeitsteilung in der Branche sind für die Kritiker die Hauptursachen für die Betrugsanfälligkeit. Vorbei sind die Zeiten, in denen jeder Metzger das Schwein schlachtete, selbst zerlegte und sich dafür verbürgen konnte, was er verkaufte.

Heute muss der Fleischer häufig damit zufrieden sein, den Herkunftsort der Tiere und den Schlachthof zu kennen, aus dem er beliefert wird. Kritik wird vor allem daran geübt, dass der Staat es der Fleischindustrie zunächst selbst überlässt, für seine eigene Überwachung zu sorgen.

Davon abgesehen kann es aber auch ohne bösen Willen zur Verbreitung von Gammelfleisch kommen. Nach einer Analyse der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kann die betriebsinterne Qualitätssicherung dann nicht mehr lückenlos gewährleistet werden, wenn große Teile von Produktbereichen ausgelagert und von externen Firmen übernommen werden.

Gerade einmal 2.300 Überwacher waren 2004 noch auf ihren Kontrollgängen von Betrieb zu Betrieb. Das hat zur Folge, dass jeder Kontrolleur rein rechnerisch 600 Fleischhandelsunternehmen zu überwachen hat, was nach Expertenansicht mit der nötigen Sorgfalt kaum zu leisten ist.

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