Gedenken:Steinmeier: Dieser Krieg war ein deutsches Verbrechen

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Der Bundespräsident bittet um Vergebung für den Überfall auf Polen - auf Reparationsforderungen geht er nicht ein.

Von Nico Fried, Warschau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zur "bleibenden Verantwortung" Deutschlands für die nationalsozialistische Vergangenheit, Krieg und Vernichtung bekannt. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung aus Anlass des deutschen Überfalls auf Polen, mit dem vor 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann, sagte Steinmeier in Warschau: "Dieser Krieg war ein deutsches Verbrechen." Er bat um "Vergebung für Deutschlands historische Schuld". Man könne das Leiden der Opfer nicht ermessen, so der Bundespräsident, der auf Einladung seines Amtskollegen Andrzej Duda an den Feierlichkeiten teilnahm. Aber Unermesslichkeit bedeute "nicht, dass wir von dem Bemühen befreit sind, das Leiden der Opfer mitzufühlen".

Kurzfristig war offenbar auf nachdrücklichen Wunsch der polnischen Regierung auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Warschau geflogen. Steinmeier sagte in beider Namen: "Wir werden nicht vergessen. Wir vergessen die Wunden nicht, die Deutsche Polen zugefügt haben." Sechs Millionen Polen fielen dem Krieg zwischen 1939 und 1945 zum Opfer, etwa drei Millionen von ihnen polnische Juden. Am frühen Morgen hatte Steinmeier bereits in Wieluń gemeinsam mit Duda des Angriffs auf die südpolnische Stadt gedacht. Am 1. September 1939 hatten deutsche Sturzkampfbomber von 4.40 Uhr an die strategisch unbedeutende Kleinstadt bombardiert, dabei waren 1200 Menschen getötet worden.

Steinmeier nannte es ein "lebendiges Wunder der Versöhnung", dass ein deutscher Bundespräsident zum Gedenken an den Kriegsbeginn in Warschau sprechen dürfe. Er ging nicht direkt auf die polnischen Forderungen nach Reparationen ein, sagte aber in Wieluń, Unrecht könne man nicht ungeschehen machen und "nicht aufrechnen". Er definierte stattdessen den Zusammenhalt Europas als besondere Aufgabe. "Weil Deutschland - trotz seiner Geschichte - zu neuer Stärke in Europa wachsen durfte, deshalb müssen wir Deutsche mehr tun für Europa."

Polens Präsident Andrzej Duda erinnerte an Millionen Tote, die der Krieg gefordert habe, aber auch an den Widerstand, den Polen im eigenen Land und in anderen Staaten geleistet hätten. Sein Land habe sich "niemals ergeben", sagte Duda. Der Präsident verzichtete darauf, die Forderung Polens nach deutschen Reparationszahlungen zu wiederholen. Die Bundesregierung betrachtet diese Frage juristisch als abgeschlossen. Duda forderte hingegen als Konsequenz aus den Ereignissen vor 80 Jahren, Aggressionen in der Gegenwart entschlossen entgegenzutreten. Ausdrücklich nannte er dabei die militärischen Aktionen Russlands in Georgien und der Ukraine. Auch sagte der Präsident, die Geschichte des Kriegs habe für Polen erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 geendet. Vertreter Russlands waren zu den Feierlichkeiten nicht eingeladen worden.

US-Vizepräsident Mike Pence, der Donald Trump vertrat, würdigte die polnischen Opfer, aber auch die US-Soldaten, die ihr Leben für Europas Befreiung gegeben hätten.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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