Geberkonferenzen:Gebrochene Versprechen

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Irakische Zivilisten fliehen aus einem umkämpften Gebiet in der Stadt Ramadi, unterstützt von irakischen Sicherheitskräften. (Foto: Stringer/Reuters)

Manche Staaten versprechen viel Geld, aber überweisen es nicht. Das trifft auch das Welternährungsprogramm.

Von Stefan Braun, Berlin/Washington

Noch bevor Außenminister Frank-Walter Steinmeier früh am Mittwochmorgen ins Flugzeug Richtung USA kletterte, ließ er vermelden, Deutschland werde sich auch bei dieser Geberkonferenz für den Nahen Osten mit einem dreistelligen Millionenbetrag beteiligen. Einen Transatlantik-Flug später erklärte er am Tagungsort in Washington, Deutschland werde 176 Millionen US-Dollar für die Stabilisierung des Irak bereitstellen. Kein kleiner Betrag und ein wesentlicher Bestandteil jener knapp mehr als zwei Milliarde US-Dollar, auf die sich die internationale Gemeinschaft in Washington verständigt hat. Wenigstens als Versprechen.

Geberkonferenzen für Syrien, für den Irak, für die Flüchtlingskrise und die Nachbarländer sind fast schon Routine geworden in der krisenvollen Gegenwart des Nahen Ostens. Halbjahr für Halbjahr treffen sich die reichsten Staaten der Erde mit den wichtigsten UN-Organisationen, um Geld einzusammeln. Gründe dafür gibt es viele; die meisten sind schlicht dem Krieg geschuldet; andere dagegen sind vor allem ärgerlich, weil sie die Gleichgültigkeit und die Abgestumpftheit vieler Staaten zeigen.

Natürlich ist da zuallererst die Tatsache, dass ausgelöst durch die Syrien-Krise der Hilfsbedarf aller Flüchtlinge dort wie im Irak, in Jordanien, in Libanon und in der Türkei weiter zunimmt. Mittlerweile brauchen allein in Syrien mehr als 13 Millionen Menschen dringend Unterstützung, die Hälfte von ihnen als Flüchtlinge, die in einem anderen Winkel des eigenen Landes Schutz suchen mussten. Noch einmal knapp fünf Millionen Menschen füllen die Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten. Und obwohl der Militäreinsatz gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak Erfolge zeitigt, wächst die Zahl der Flüchtlinge weiter. So rechnen die Vereinten Nationen damit, dass die für Herbst geplante Befreiung von Mossul in der ersten Zeit nichts beruhigt, sondern noch einmal bis zu einer Million Menschen in die Flucht treiben dürfte, weil sie schlicht und einfach rauswollen aus den umkämpften Gebieten.

Die konkrete Not allein erklärt indes nicht die Finanzlücken und den Bedarf an immer neuen Geberkonferenzen. Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass viele Staaten zwar viel Geld versprechen, aber oft allenfalls einen Teil davon wirklich überweisen. Die Sünder können dabei zu oft unerkannt bleiben, weil sich Zusagen überschneiden, mehrfach gegeben werden, mal über mehrere Jahre gelten - und dann durch neue Geberkonferenzversprechen überholt zu sein scheinen.

Ein Drittel der für die Syrienhilfe benötigten Mittel wurde 2015 nicht ausgezahlt, sagen die UN

Am eindrucksvollsten zeigt sich die Not beim Blick auf die Gesamtstatistiken der Vereinten Nationen für die Syrienhilfe. Dabei wird deutlich, dass 2013 noch 73 Prozent der damals nötigen 2,9 Milliarden US-Dollar wirklich bezahlt wurden; 2014 wurden 63 Prozent der zugesagten 3,7 Milliarden US-Dollar überwiesen; ein Jahr später fehlte ein Drittel jener 4,3 Milliarden US-Dollar, die nötig gewesen wären. Und 2016 sind bis jetzt gerade mal 40 Prozent der kalkulierten 4,5 Milliarden US-Dollar bezahlt worden. Das bedeutet: Trotz der größten und gefährlichsten Krise, die der Nahe Osten je erlebt hat, erhalten die UN nicht die Hilfe, die sie für die Flüchtlinge bräuchten.

Das zeigen auch die Zahlen des Welternährungsprogramms. Ihm geht es allein um Lebensmittel und eine existenzielle Grundversorgung. Auch hier war die Lage 2012 noch ganz gut, damals lag die Deckung der benötigten Mittel bei 99 Prozent. Dann aber stieg der Bedarf, und die Finanzierung wurde schlechter. 2015 führte das dazu, dass in Syrien nur die Hälfte des Bedarfs, in den Nachbarländern zwei Drittel und im Irak nur 40 Prozent des nötigen Geldes an das UN-Welternährungsprogramm überwiesen wurden. Auch dieses Jahr sieht es nicht viel besser aus. Von den Anfang Februar in London versprochenen sechs Milliarden US-Dollar für Syrien sind bis heute 40 Prozent überwiesen. Da kann es nicht überraschen, dass die UN immer wieder eine dramatische Verantwortungskrise der säumigen Regierungen beklagen.

Eine kleine Ausnahme immerhin ist Deutschland. Das sagt nicht die Bundesregierung. Es sagt Ralf Südhoff, Vertreter des UN-Welternährungsprogramms in Berlin. Auch er beklagt die Versprechen, die oft genug gebrochen würden. Deutschland aber habe zuletzt sehr große Zusagen gemacht - und auch eingehalten. Interessant ist dabei das Wort ,zuletzt'. Die Flüchtlingskrise hat eben die Perspektive verändert.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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