Gaggenau:Parkplatz-Frage

Lesezeit: 2 min

Michael Pfeiffer, 54, Bürgermeister von Gaggenau. (Foto: Christoph Schmidt/AFP)

Wie der Bürgermeister der badischen Kleinstadt ein bisschen Weltpolitik gemacht hat - und sich dabei doch nur auf das Versammlungsrecht beruft.

Von Paul Munzinger

Michael Pfeiffer ist am Freitagmorgen nicht in seinem Büro zu erreichen. Nur ans Handy geht er. Denn das Rathaus von Gaggenau ist in der Früh geräumt worden. Eine Bombendrohung. Die Bombenspürhunde sind am Vormittag noch im Gebäude. Pfeiffer, der Bürgermeister, steht auf dem Platz vor dem Rathaus. Er wird gerade für das nächste Fernsehinterview verkabelt und wirkt am Telefon ziemlich unbeeindruckt: "Wir stehen zu dieser Entscheidung", sagt er, "und wir sind bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen."

Tags zuvor, am Donnerstag, hat die 30 000-Einwohner Stadt Gaggenau im Murgtal in Baden-Württemberg ein kleines bisschen Weltpolitik gemacht. Sie widerrief die Genehmigung für eine Veranstaltung der "Union europäisch-türkischer Demokraten" (UETD), bei der am Abend in der Festhalle Bad Rotenfels der türkische Justizminister Bekir Bozdağ auftreten und für die geplante Verfassungsänderung in seinem Land werben wollte. Ankara reagierte wütend auf das Verbot, bestellte den deutschen Botschafter ein, drohte mit Konsequenzen. Und Pfeiffer, der Bürgermeister, war "der Mann, der Erdoğan die Stirn bot" - so oder so ähnlich war es in vielen Medien zu lesen.

Dabei hat Pfeiffer, 54 Jahre alt, studierter Verwaltungswirt mit einem Master in Bauingenieurswesen, Vater von sechs erwachsenen Kindern und seit zwei Jahren parteiloser Bürgermeister in Gaggenau, alles unternommen, um dieser Deutung zuvorzukommen. Die Entscheidung sei nicht politisch motiviert gewesen, sagte er am Donnerstag und Freitag in jedes der zahllosen Mikrofone, die ihm Reporter entgegenstreckten. Den Ausschlag hätten Sicherheitsbedenken gegeben. Der Veranstalter, eine Privatperson aus der Gegend, habe die Stadt mit keinem Wort darüber informiert, dass ein Botschafter, ein Minister und ein Generalkonsul in Gaggenau auftreten wollten. Man habe daher mit deutlich mehr Menschen als den angemeldeten 400 rechnen müssen. Für eine Veranstaltung einer solchen Dimension aber sei der Parkplatz zu klein, die Anfahrtswege seien zu eng. Die Entscheidung, sagt Pfeiffer, sei nicht mutig, sondern notwendig gewesen. "Dass man uns dafür in den Himmel lobt, war nicht unsere Intention." Dass der Drohanruf, der am Freitagmorgen gegen Viertel vor acht bei der Stadtverwaltung einging, eine direkte Folge dieser Entscheidung sei, kann Pfeiffer nicht bestätigen. Aber die Vermutung liege natürlich nahe, sagt er. Ein Mann habe sich von einem Mobiltelefon aus gemeldet und von einer Bombe gesprochen, die im Rathaus platziert sei. Der Platz um das Rathaus wurde daraufhin gesperrt, das Gebäude geräumt, die Mitarbeiter ins Wochenende geschickt. Am Mittag gab die Polizei dann Entwarnung, es sei nichts Verdächtiges gefunden worden. "Wir mussten damit rechnen, dass unsere Entscheidung Konsequenzen haben würde", sagt Pfeiffer am Telefon, das Rathaus ist da noch immer gesperrt. Aber natürlich, "sehr angenehm fühlt sich das nicht an". Eine Lösung, damit Gaggenau und andere Gemeinden in Deutschland nicht mehr in eine solche Lage gebracht werden, erwartet er von den Politikern in Berlin und Ankara.

Fürs Erste hofft Pfeiffer, dass bald der Alltag nach Gaggenau zurückkehrt. Was ihn persönlich angeht, stehen die Chancen gut. Eigentlich ist Pfeiffer nämlich nur der zweite Mann in der Stadt, aber Oberbürgermeister Christof Florus hat Urlaub. Oder besser: hatte. Am Freitag hat Florus sich vorzeitig wieder auf den Weg nach Gaggenau gemacht.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: